London:Berufungsgericht billigt Assanges Auslieferung

British court to make ruling on U.S. appeal to extradite Assange

Unterstützer des Wikileaks-Gründers Julian Assange demonstrieren am Freitag vor den Royal Courts of Justice in London.

(Foto: Henry Nicholls/Reuters)

Dem Wikileaks-Gründer drohen in den USA bis zu 175 Jahre Haft, ihm wird Spionage vorgeworfen. Die US-Regierung erreicht, dass die Ablehnung ihres Auslieferungsantrags gekippt wird. Seine Unterstützer sprechen von einer "Schande".

Seit Langem fordern die USA, ihnen den Wikileaks-Gründer Julian Assange auszuliefern - nun hat das Londoner Berufungsgericht die Ablehnung des Auslieferungsantrags aus erster Instanz gekippt. Das teilte ein Richter am Londoner High Court am Freitag mit. Doch vermutlich wird der Fall noch vor die nächste Instanz gehen.

Ein britisches Gericht hatte Anfang des Jahres die Auslieferung des 50-Jährigen untersagt - unter Berücksichtigung seines psychischen und gesundheitlichen Zustands und der zu erwartenden Haftbedingungen in den USA. Die Regierung in Washington hatte diese Entscheidung jedoch angefochten. Die US-Justiz will Assange wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Dem gebürtigen Australier drohen dort bei einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft.

Der Fall werde nun an das erstinstanzliche Gericht zurückgegeben mit der Weisung, die Entscheidung über die Auslieferung der Innenministerin zu überlassen, sagte der Richter. Ob das Tauziehen um Assange damit zu Ende ist, ist bisher nicht klar. Seine Unterstützer hatten für diesen Fall bereits angekündigt, erneut in Berufung zu gehen - der Fall dürfte also vor dem höchsten britischen Gericht landen, den Supreme Court.

Dutzende Anhänger des Wikileaks-Gründers, die sich vor dem Gerichtsgebäude in London versammelt hatten, zeigten sich enttäuscht und empört. Viele skandierten "Schande, Schande" und kündigten an, weiter für Assanges Freilassung zu kämpfen.

Vorgeworfen wird ihm, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Er habe damit das Leben von Informanten in Gefahr gebracht. Seine Unterstützer sehen in ihm hingegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat.

Bei Anhörungen im Oktober hatten beide Seiten erneut ihre Argumente vorgebracht. Die US-Anwälte warfen der britischen Justiz vor, sich bei ihrer Einschätzung auf fehlerhafte Gutachten verlassen zu haben. Außerdem sicherten die USA zu, im Falle einer Inhaftierung nicht wie befürchtet "Spezialmethoden" anzuwenden sowie einer Verlegung von Assange in ein australisches Gefängnis zuzustimmen. Diese Zusicherungen seien ausreichend, um die Sorgen um Assanges Gesundheit auszuräumen, sagte der Richter am Freitag.

Seine Unterstützer berichten, Assanges Gesundheitszustand sei sehr schlecht

Assanges Verteidiger hingegen setzten in der Berufungsverhandlung auf neue Enthüllungen über angebliche Anschlagspläne, die vor einigen Monaten durch Medienberichte ans Licht gekommen waren. Investigative Journalisten hatten unter Berufung auf nicht näher präzisierte Quellen in den USA berichtet, der Auslandsgeheimdienst CIA habe Anschlagspläne auf Assange geschmiedet, während dieser sich in der ecuadorianischen Botschaft in London aufhielt. Seine Unterstützer hoffen, dass diese Enthüllungen eine Auslieferung in die USA unwahrscheinlicher machen.

Assanges Angehörige beschreiben seinen Gesundheitszustand seit Monaten als schlecht und besorgniserregend. Bei den letzten Anhörungen nahm der 50-Jährige teilweise per Videoschalte aus dem Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh teil, fühlte sich zeitweise aber auch nicht in der Lage, dem Geschehen zu folgen.

Nach Angaben des Berufungsgerichts sollte bei der Entscheidung am Freitag keine der beteiligten Parteien zugegen sein. Die Verlobte von Julian Assange, Stella Moris, kündigte allerdings auf Twitter an: "Ich werde dort sein." Sollten die USA erfolgreich sein, werde das "alarmierende Konsequenzen für die Pressefreiheit" haben, sagte die Londoner Vertreterin von Reporter ohne Grenzen, Rebecca Vincent, die das Verfahren eng begleitete. "Bei diesem Fall geht es nicht nur um Assange, sondern um das Recht aller Journalisten, ihre Arbeit zu tun, und um das Recht der Öffentlichkeit, sich zu informieren."

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