Julian Assange:Hilfegesuch vor dem Gipfel

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John Shipton, der Vater von Julian Assange, kämpft für die Freiheit seines Sohnes. (Foto: Robert Bumsted/AP)

Kurz vor dem G-7-Treffen besucht der Vater von Whistleblower Julian Assange Berlin und appelliert an die Bundesregierung, sich für die Freiheit seines Sohnes einzusetzen.

Von Sophie Kobel, Berlin

Der Vater von Julian Assange spricht leise und ruhig an diesem Montagnachmittag in dem kleinen Raum des Deutschen Bundestags. Man spürt, dass John Shipton, hager, grauer Bart, dunkler Anzug, jene Worte schon unzählige Male gesagt hat: "Mein Sohn wird seit über sieben Jahren psychischer Folter und Mobbing unterzogen. Dieser Fall betrifft alle Journalisten und jeden, der etwas veröffentlicht." Später an diesem Tag wird er sie erneut wiederholen, dann im Gespräch mit Finanzminister Christian Lindner.

Gemeinsam mit seinem zweiten Sohn, Gabriel Shipton, ist der Australier nach Deutschland gereist. Beide setzen große Hoffnungen auf die Bundesregierung, diese gehe konkret auf die USA zu. "Deutschland ist ein leuchtendes Beispiel für eine Demokratie - und das Kraftwerk Europas", sagt John Shipton. So könne man anschließend auch andere Staaten wachrütteln. Zum Beispiel auf dem bevorstehenden G-7-Treffen im bayerischen Elmau, auf dem bedeutende Industrienationen der westlichen Welt zusammenkommen.

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Der Appell von Assanges Vater und Bruder drängt. Die beiden kommen gerade aus den USA. Jenem Land, das den Whistleblower für bis zu 175 Jahre ins Gefängnis bringen will - und diesem Ziel zuletzt ein Stück näher gekommen ist. Denn am vergangenen Freitag hat die konservative britische Regierung die Auslieferung von Assange an Washington bewilligt.

Es ist die neueste Entwicklung in einem jahrelangen Streit um den Whistleblower. Ihm wird vorgeworfen, geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Er habe damit das Leben von Informanten in Gefahr gebracht. Seine Unterstützer sehen in ihm hingegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat. Seitdem wehrt sich der Whistleblower dagegen, den Vereinigten Staaten überstellt zu werden. Seit 2019 sitzt er in London im Gefängnis, zuvor gewährte die ecuadorianische Botschaft in der britischen Hauptstadt sieben Jahre lang Asyl.

Die USA versprechen keine "Spezialmethoden" anzuwenden

Mit der neuesten Entscheidung der britischen Innenministerin Priti Patel, den Auslieferungsbefehl zu unterzeichnen, rückt nun der Strafprozess in den USA näher. Patel teilte mit, man habe keine Gründe erkennen können, die einer Auslieferung entgegenstehen. Die USA hatten zuvor versichert, im Falle einer Inhaftierung nicht wie befürchtet "Spezialmethoden" anzuwenden sowie einer Verlegung von Assange in ein australisches Gefängnis zuzustimmen.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kritisieren jedoch, jene Zusicherungen seien entwertet, da es einen Widerrufsvorbehalt gebe. In Deutschland wäre der Prozess wohl anders gelaufen als in London, sagt Rechtsanwalt Reinhard Marx, der sich auf Aufenthaltsrecht spezialisiert hat. "Hier müssten die Gerichte prüfen, ob Auslieferungshindernisse bestehen. Und in dem Fall gäbe es ein konkretes Risiko, dass Folter oder andere inhumane Methoden eintreten könnten."

Trotz des Beschlusses kann Assange seine Auslieferung innerhalb einer zweiwöchigen Frist vor dem High Court anfechten. Sollte er damit scheitern, bliebe ihm noch der Gang vor das höchste britische Gericht, dem Supreme Court. Zudem gebe es den Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: "Wenn Straßburg sagt, ihm droht eine konkrete unmenschliche Behandlung, dann dürfen sie ihn nicht an Dritte weitergeben". Das, so Marx, würde dann gegen Artikel 3 der europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen - dem Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit.

Dass die Entscheidung für eine Auslieferung noch nicht in die letzte Instanz gegangen ist, weiß auch die deutsche Bundesregierung - und hält sich bezüglich der neuesten Entwicklungen im Fall Assange bedeckt. Man werde den weiteren Rechtsweg sehr genau beobachten, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann.

Kulturstaatsministerin Roth erwartet ein "sehr faires Verfahren in den USA"

Wie und ob sich andere Staaten beim G-7-Gipfel äußern werden, ist noch ungewiss. Die Medienministerinnen und -minister der G-7-Staaten haben sich zwar gerade erst für eine Stärkung der Presse- und Meinungsfreiheit ausgesprochen und ein Kommuniqué dazu verabschiedet. Zwischen den Ministern bestehe eine große Einigkeit darin, sich für die Stärkung der Presse- und Meinungsfreiheit in der Welt einzusetzen, sagte Claudia Roth (Grüne), Staatsministerin für Kultur und Medien. Im Fall der drohenden Auslieferung von Julian Assange vermied sie auf Nachfrage eine Bewertung. Sie erwarte jedoch, dass Assange ein "sehr faires Verfahren in den USA" erhalte.

Unterstützung für Julian Assange aus der Bundesregierung kommt währenddessen von den Mitgliedern der fraktionsübergreifenden Abgeordneten-AG "Freiheit für Julian Assange": Sevim Dagdelen (Linke), Ulrich Lechte (FDP), Max Lucks (Grüne) und Frank Schwabe (SPD). Sie fordern die deutsche Bundesregierung auf, sich bei Gesprächen mit London für die Freilassung von Julian Assange einzusetzen sowie bei US-Präsident Joe Biden auf ein Ende der politischen Verfolgung des Journalisten zu drängen.

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