Der Wikileaks-Gründer Julian Assange ist am Mittwoch von einem Gericht auf der US-Pazifikinsel Saipan freigesprochen worden. Die leitende US-Bezirksrichterin Ramona Villagomez Manglona akzeptierte sein Schuldbekenntnis und entließ ihn, weil er die Zeit einer möglichen Haftstrafe von 62 Monaten bereits in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis abgesessen hatte. „Sie werden diesen Gerichtssaal als freier Mann verlassen können“, sagte die Richterin. Demnach durfte der 52-Jährige direkt im Anschluss an die Verhandlung nach Australien zurückkehren.
„Ich hoffe, dass ein wenig Frieden wiederhergestellt wird“, betonte Manglona mit Blick auf die zahlreichen angereisten Journalisten. „Es sieht so aus, als würde dieser Fall mit mir hier in Saipan enden“, zitierten britische Medien die Richterin. Es handele sich um ein verfrühtes Geburtstagsgeschenk für Assange: „Ich habe gehört, dass Sie nächste Woche Geburtstag haben. Ich hoffe, Sie beginnen Ihr neues Leben auf positive Weise.“ Der Australier wird am kommenden Mittwoch, 3. Juli, 53 Jahre alt.
Assange räumte während der dreistündigen Anhörung den Tatvorwurf der Verschwörung zur Beschaffung und Weitergabe von geheimen Dokumenten der US-Regierung ein und bekannte sich schuldig. Assange sagte vor dem Gericht, er habe geglaubt, dass der erste Zusatzartikel der US-Verfassung, der die Meinungsfreiheit schützt, auch seine Aktivitäten schütze. „Bei meiner Arbeit als Journalist habe ich meine Insider ermutigt, mir Informationen zu geben, die als geheim galten, um sie zu veröffentlichen“, sagte er und fügte hinzu: „Ich glaubte, dass der erste Verfassungszusatz diese Tätigkeit schützte, aber ich akzeptiere, dass es ein Verstoß gegen das Spionagegesetz war.“
Assange hatte im Vorfeld bereits zugestimmt, sich in diesem einzigen Anklagepunkt schuldig bekennen zu wollen. Dies ging aus den Akten des US-Bezirksgerichts für die Nördlichen Marianen hervor. Das US-Territorium im westlichen Pazifik wurde für die Anhörung ausgewählt, weil Assange nicht auf das US-Festland reisen wollte und weil es in der Nähe von Australien liegt, so die Staatsanwaltschaft.
„Ich hoffe, dass die Tatsache, dass es uns heute gelungen ist, Julian Assange trotz aller Widrigkeiten und gegen eine der mächtigsten Regierungen der Welt freizubekommen, allen weltweit inhaftierten Journalisten und Verlegern Hoffnung gibt“, sagte die australische Menschenrechtsanwältin Jennifer Robinson vor dem Gericht. Robinson dankte vor allem dem australischen Premierminister Anthony Albanese für dessen unermüdlichen Einsatz für Assange. Der Regierungschef habe sich immer wieder auf höchster Ebene für eine Lösung in dem juristischen Tauziehen um den Australier starkgemacht, dem die USA wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen wollten.
„Es ist angemessen, dass die Richterin, wie sie es heute getan hat, feststellt, dass eine weitere Inhaftierung von Herrn Assange weder fair noch angemessen wäre und es Zeit für ihn ist, wieder mit seiner Familie vereint zu werden“, erklärte sein Anwalt Barry Pollack. Assange habe in seinem Kampf für freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit enorm gelitten.
Mittlerweile ist der 52-Jährige in seine Heimat zurückgekehrt. Eine Chartermaschine mit Assange an Bord landete am Mittwochabend (Ortszeit) in der Hauptstadt Canberra. Nach der Landung gab es für den Wikileaks-Gründer ein emotionales Wiedersehen mit seiner Familie. Auf Videos in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie der 52-Jährige kurz nach dem Ausstieg aus der Maschine seine Ehefrau Stella in den Arm nahm – zum ersten Mal in Freiheit. Gleich darauf konnte Assange auch seinen Vater John Shipton umarmen.
Gegen Assange wurde seit 14 Jahren ermittelt, er saß fünf Jahre in Haft
Der in Australien geborene Assange verbrachte mehr als fünf Jahre in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis und sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London. Er wehrte sich gegen Anschuldigungen wegen Sexualverbrechen in Schweden und gegen seine Auslieferung in die USA, wo er nach Angaben seiner Anwälte mit 18 Strafanzeigen konfrontiert war und mit bis zu 175 Jahren Haft rechnen musste. Auch das Risiko, dass sich Assange bei einer Auslieferung das Leben nehmen könnte, hat in dem jahrelangen Rechtsstreit eine Rolle gespielt.
Seine Unterstützer sehen ihn als Opfer, weil er Fehlverhalten und mögliche Verbrechen der USA aufgedeckt hat, unter anderem in Konflikten in Afghanistan und im Irak. Washington behauptete, dass die Veröffentlichung der geheimen Dokumente Menschenleben in Gefahr gebracht habe.
Die australische Regierung hatte sich fortlaufend für Assanges Freilassung eingesetzt und es mehrfach bei den Vereinigten Staaten thematisiert. Australiens Ministerpräsident Albanese sagte am Mittwoch auf einer Pressekonferenz, dass man lange, überlegt und geduldig auf das heutige Ergebnis hingearbeitet habe. „Dies ist nicht etwas, das in den vergangenen 24 Stunden passiert ist“, so Albanese. Zuvor hatte auch der stellvertretende australische Ministerpräsident Richard Marles dem australischen Fernsehsender ABC gesagt, dass sich die Regierung für Assanges Freilassung eingesetzt hat.