Süddeutsche Zeitung

Jugoslawien:Regierungsbündnis zerbrochen

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Nach der Auslieferung von Slobodan Milosevic an das UN-Tribunal für Kriegsverbrecher rutscht Jugoslawien in eine politische Krise.

Am Freitagabend haben mehr als 5000 Menschen in Belgrad gegen die Auslieferung Milosevics nach Den Haag demonstriert. Die Demonstranten forderten den Rücktritt der serbischen Regierung sowie vorgezogene Neuwahlen.

Zuvor waren der jugoslawische Ministerpräsident Zoran Zizic sowie die Minister der montenegrinischen Sozialistischen Volkspartei (SNP) zurückgetreten.

Sie reagierten damit auf die Auslieferung Milosevics an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Diese sei illegal und nicht verfassungsgemäß, hieß es.

Vermutlich keine Neuwahlen

Zugleich betonte Zizic, dass er mit seinem Rücktritt weder dem Bundesstaat noch der Handlungsfähigkeit der Regierung schaden wolle. Vermutlich werde es keine Neuwahlen geben, sondern eher eine veränderte Zusammensetzung der Regierung.

Zizic gehört der Sozialistischen Volkspartei Montenegros (SNP) an, die im Bund mit dem Parteienbündnis DOS von Präsident Vojislav Kostunica kooperiert. Zizic warf der DOS vor, für die Auslieferung Milosevics verantwortlich zu sein. Bei einem Treffen mit Kostunica einigten sich beide darauf, ab Montag über die Zusammensetzung einer neuen Regierung zu beraten.

Bereits vor dem Rücktritt der Minister hatte der jugoslawische Präsident Vojislaw Kostunica die Auslieferung Milosevics verurteilt. Kostunica, der angeblich erst aus dem Medien davon erfahren hatte, bezeichnete die Entscheidung als illegal und sagte, sie gefährde die Verfassungsordnung des Staates.

Der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic hatte sich am Donnerstag über die Behörden des jugoslawischen Bundesstaates hinweggesetzt und Milosevic trotz eines Vetos der Verfassungsrichter an das Haager Kriegsverbrechertribunal überstellen lassen. Djindjic sagte, eine Verzögerung der Auslieferung hätte Jugoslawien möglicherweise international isoliert und die Geberkonferenz in Brüssel gefährdet.

Die Anklage gegen Milosevic soll erweitert werden

Jugoslawiens ehemaliger Präsident Slobodan Milosevic wird am Dienstag erstmals vor einem Richter des UN-Tribunals erscheinen. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, begangen beim Feldzug gegen die Kosovo-Albaner 1999. Allerdings soll die Anklage nach den Worten der Chefanklägerin Del Ponte noch erheblich erweitert werden. Der 59-Jährige solle auch wegen der Kriege in Kroatien und Bosnien-Herzegowina belangt werden. Milosevic droht lebenslange Haft.

Geberkonferenz beschließt Finanzhilfe

Jugoslawien soll noch dieses Jahr knapp 1,28 Milliarden Dollar erhalten. Dies wurde auf der Jugoslawien-Geberkonferenz in Brüssel beschlossen. Jugoslawien benötigt nach Angaben der Weltbank bis Ende 2004 eine Finanzhilfe von 3,9 Milliarden Dollar. Das Geld soll vor allem die Wirtschaft Jugoslawiens vor dem völligen Absturz bewahren.

Die USA, die eine Finanzhilfe von der Ausweisung Milosevics abhängig gemacht hatten, wollen mehr als 180 Millionen Dollar zur Verfügung stellen.

Die Europäische Union sagte insgesamt 530 Millionen Euro zu. Einzelne EU-Mitgliedsstaaten helfen darüber hinaus mit eigenen Mitteln. So stellt Deutschland mehr als 70 Millionen Euro zur Verfügung.

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