Rote Mütze, hellblauer Pullover, Controller in der Hand – Hauptmann David Matei sitzt entspannt auf seinem Sofa und zockt ein Shooter-Spiel. Im Hintergrund knallen Gewehrschüsse, als plötzlich eine zweite Figur mit Baseballmütze ins Bild tritt. „Macht ihr so was eigentlich auch bei der Bundeswehr? So kämpfen wie in den Shootern?“, fragt sie. Beide Charaktere stellt Matei selbst dar, ein typisches Format für Tiktok-Videos. Im lockeren Gespräch erklärt Matei, dass nicht alle Soldatinnen und Soldaten an die Front müssen. Es gibt Unterstützungseinheiten, die zum Beispiel für Nachschub und Versorgung zuständig sind – nicht alle landen im Schützengraben.
David Matei war zehn Jahre bei den Gebirgsjägern und ist seit 2021 Jugendoffizier im Raum Stuttgart. Dort ist er vor allem dafür zuständig, Heranwachsende über die Aufgaben und den Auftrag der Bundeswehr zu informieren. Steht bald ein neuer Wehrdienst an, und was macht das Leben eines Soldaten aus? „Sie wollen verstehen, was passiert. Und ich versuche, es ihnen so einfach wie möglich zu erklären“, sagt er. Dafür geht der 31-Jährige dorthin, „wo die Jugendlichen sind“: Als Soldat und Jugendoffizier in die Schulen, privat in die sozialen Netzwerke. Seit Anfang 2024 ist er dort vor allem auf Tiktok und Instagram aktiv. Er will, sagt er, „den Raum nicht extremen, ideologischen oder demokratiefeindlichen Gruppierungen überlassen“. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung bieten Social-Media-Plattformen mit ihrem niedrigschwelligen Zugang und ihrer enormen Reichweite für Rechtsextreme geradezu perfekte Strukturen und Bedingungen, um ihre Ideologie zu verbreiten.
Ob Putins Strategien, die Funktionen des Marschflugkörpers Taurus oder allgemein der Dienst in der Bundeswehr – Matei versucht, all das in seinen Social-Media-Videos anschaulich darzustellen und zu erklären. Dabei zeigt er sich mal in Uniform, mal in Zivil. Mittlerweile hat er fast 189 000 Follower, die er mit seinen Beiträgen auf Tiktok theoretisch erreicht. Im Sommer wurde er zum Nato-Gipfel nach Washington eingeladen, um von dort zu berichten, im Herbst erhielt er einen Preis von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung für seine Leistungen als politischer Influencer.
Beiträge in den sozialen Medien erstellen die Soldatinnen und Soldaten in ihrer Freizeit
Seine Videos erstellt und produziert er privat und in seiner Freizeit. Damit ist er einer von vermutlich Tausenden Soldatinnen und Soldaten, die sich und ihre Arbeit in den sozialen Medien präsentieren. Welche Inhalte sie teilen, bleibt ihnen weitgehend selbst überlassen – schließlich betreiben sie ihre Accounts privat und unabhängig von den offiziellen Kanälen der Bundeswehr. Dennoch müssen die Influencer der Truppe einige Regeln beachten. Dafür hat die Bundeswehr Social-Media-Richtlinien entwickelt. So gibt es etwa sicherheitsrelevante Bereiche und sensible Inhalte, die geschützt werden müssen. Die Richtlinien legen aber auch fest, dass Soldatinnen und Soldaten ihre Inhalte nicht während der Dienstzeit erstellen dürfen und dafür auch nicht extra bezahlt werden.
Trotzdem werfen Kritiker Influencern wie Matei vor, Werbung für die Streitkräfte zu machen, um Nachwuchs zu rekrutieren. Außerdem würden sie den Dienst in der Bundeswehr verharmlosen. „Mir ist wichtig, dass in einer Demokratie kontrovers über die Bundeswehr diskutiert wird“, sagt Matei. Er betont, dass er auch Kritik übe und Fehler anspreche. In einem Video etwa spricht er über die Bürokratie in der Bundeswehr und berichtet, wie schwierig es allein für ihn war, einen höhenverstellbaren Schreibtisch zu erhalten.
Während sich in den Kommentaren unter seinen Videos die einen für seine Arbeit bedanken, werfen ihm andere Kriegstreiberei vor. Doch Matei bleibt seinem Vorhaben treu: „Ich polarisiere, dienstlich wie privat. Aber die Arbeit macht mir mega viel Spaß. Und irgendwie müssen wir die jungen Leute doch für sicherheitspolitische Themen interessieren.“