Jürgen Rüttgers und die Rente:"Die CDU stellt sich dem Problem Altersarmut"

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sieht sich als Gewinner des parteiinternen Rentenstreits.

Interview: Stefan Braun

Eine Mindestrente, wie von Jürgen Rütters, gefordert, wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Das hat der CDU-Vorstand beschlossen: Eine Aufstockung der Rente komme nur in Frage, wenn ein Ruheständler seine Bedürftigkeit nachweisen könne. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident gibt sich dennoch erfreut.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers

"Unsere Gesellschaft darf nicht auseinanderfallen": Jürgen Rüttgers

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Rüttgers, haben Sie jetzt gewonnen oder verloren?

Jürgen Rüttgers: Ich bin zufrieden mit dem Kompromiss. Klar ist jetzt, die CDU stellt sich dem wachsenden Problem der Altersarmut. Eine Gruppe unter dem Generalsekretär Ronald Pofalla wird für das Wahlprogramm zur Bundestagswahl konkrete Vorschläge machen.

SZ: Na ja, Sie forderten eine Lösung - und die CDU-Spitze hat diese vertagt.

Rüttgers: Stimmt nicht. Die CDU hat heute als Ziel beschlossen, dass wer ein Leben lang Vollzeit beschäftigt war, eine Rente oberhalb der Armutsgrenze erhält.

SZ: Das klingt wie auf dem Leipziger Parteitag 2003. Sie haben wenig erreicht.

Rüttgers: Oh doch. Darüber hinaus wird geprüft, wie zur Vermeidung von Altersarmut Kleinstverdiener und kleine Selbständige die Möglichkeit bekommen, für das Alter vorzusorgen durch neue Anreize von Leistungen zum Beispiel bei der Riesterrente.

SZ: Sie sprachen von einem drängenden Problem Hunderttausender, die CDU-Spitze sagt, es gehe gerade um 2,3 Prozent der Rentner. Also brauche es keine akute Antwort. Wer ist hier zynisch?

Rüttgers: Schon jeder siebte Vollzeitbeschäftigte arbeitet heute im Niedriglohnbereich. 23,1 Prozent der Niedriglohnempfänger haben eine abgeschlossene Berufsausbildung. Gerade in den neuen Bundesländern, bei Frauen mit unterbrochener Arbeitsbiographie sowie jungen Leuten etwa aus der Generation Praktikum wächst das Problem spürbar.

SZ: Das heißt, wer das Problem marginalisiert, begeht einen schweren Fehler?

Rüttgers: Wir müssen jetzt handeln, um künftig Altersarmut zu verhindern.

SZ: Sie wollten einen klaren Zuschuss für alle, die 35 Jahre lang mit kleinen Beträgen in die Rentenversicherung eingezahlt haben, aber nicht mehr als die Grundsicherung als Rente rausbekommen. Das wird es jetzt nicht geben. Jürgen Rüttgers - als Löwe gestartet, als Katze gelandet?

Rüttgers: Nun warten Sie mal das Ergebnis ab. Es gibt verschiedene Wege, um zu verhindern, dass Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, in Altersarmut fallen. Denken Sie daran, vor wenigen Tagen wurde noch bestritten, dass es das Problem überhaupt gibt.

SZ: Sie sprechen von verschiedenen Wegen. Welche könnten das sein?

Rüttgers: Denken sie an das Schonvermögen, also Freibeträge bei der Grundsicherung für Vorsorgeleistungen.

SZ: Sie haben erklärt, niemand solle zum Sozialamt gehen müssen, um Hilfe zu beantragen. Jetzt ist mit der Bedarfsprüfung genau das beschlossen worden. Wie erklären Sie das denen, bei denen Sie Hoffnungen geweckt haben?

Rüttgers: Niemand wollte, dass Leute mit großem Vermögen und kleiner Rente noch zusätzlich gefördert werden. Über die Abgrenzung werden wir reden.

SZ: Warum haben Sie diese Debatte überhaupt angestoßen? Weil Christian Wulff plötzlich so erfolgreich dasteht unter den Stellvertretern Angela Merkels?

Rüttgers: Nein, weil wir in Nordrhein-Westfalen aus der Diskussion über Demographieprobleme ein Projekt machen wollen, das konkrete Ergebnisse bringt und unser Land demographiefest macht.

SZ: Wollten Sie schlicht das Thema für die CDU besetzen, damit Sie zuhause wie ein Sozialdemokrat aussehen?

Rüttgers: Nein. Ich will, dass unser Land mehr Wachstum und mehr Sicherheit hat, obwohl unsere Gesellschaft kleiner, älter, bunter wird. Unsere Gesellschaft darf nicht auseinanderfallen, damit wir weiter unseren Wohlstand auf den Weltmärkten verdienen können.

SZ: Macht man so Politik? Erst laut rufen, dann leise beigeben - und das Thema als Thema der CDU deklarieren?

Rüttgers: Ganz unerfolgreich war es ja nicht. Die Umfragen bestätigen mich - und die CDU profitiert davon.

SZ: Was wird mit dem Leitantrag für den Parteitag im Juni? Da steht Ihr alter Wunsch sehr konkret drin...

Rüttgers: Das werden die Antragsberatungen zeigen.

SZ: Was machen Sie, wenn die CDU-Spitze ihr Ziel von Leipzig zwar wiederholt, aber auf absehbare Zeit nicht zur eigenen Regierungspolitik macht?

Rüttgers: Das wird uns nicht passieren. Das Problem müssen wir bald in Angriff nehmen. Und ich werde darauf achten, dass das auch geschieht.

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