Er hatte nicht darüber reden wollen. Hatte sich verleugnen lassen, Reisen vorgetäuscht, Terminprobleme. Und als die Autorin Nechama Tec dann endlich, im Mai 1987, an seiner Haustür im New Yorker Stadtteil Brooklyn läutete, stand eine alte Dame im Eingang und wollte die Besucherin nicht einlassen.
Kämpfer der Bielski-Gruppe, in der Mitte der ersten Reihe kniet Aron Bielski. Sein älterer Bruder Tuvia führte die Partisanen
(Foto: Foto: Yad Vashem Archives)Leider habe ihr Mann wieder eine dieser schlechten Nächte gehabt, ihm sei nicht wohl. Doch so kurz vor dem Ziel wollte Tec nicht aufgeben. Ihr Flugzeug nach Israel ging am nächsten Tag, und sie ahnte: Die Gelegenheit würde nicht wiederkehren.
Und so kam es, dass Tuvia Bielski, geboren 1906, doch noch die bewegende Geschichte seiner Kriegsjahre erzählte. Wenige Wochen später starb er. Tecs Buch erschien dann 1993. Der derzeit im Kino laufende Film "Defiance/Unbeugsam" (SZ vom 29.1. und 17.3.) basiert darauf: Die drei proletarischen Bielski-Brüder und ihre Kämpfer errichteten ein "Jerusalem in den Wäldern" Weissrusslands, ein verborgenes Familienlager, und verteidigten es zäh und geschickt über drei Jahre.
Tuvia Bielski, der Kommandeur, einfühlsam verkörpert vom Bond-Mimen Daniel Craig, hatte in der polnischen Armee das Kämpfen gelernt.
Und ähnlich wie sich bei "Schindlers Liste" die Frage stellte, ob sich das Grauen des Zivilisationsbruches mit den Mitteln von Hollywood überhaupt angemessen darstellen lasse, so ist es umgekehrt mit dem Kampf gegen dieses Grauen: Kann so ein Film neben Heldentum und Menschlichkeit auch all das Elend, die Grausamkeiten und die dunklen Seiten des Widerstandes zeigen, die es auch gegeben hat, bei den Bielskis wie anderswo: Kollaborateure wurden umgebracht, deutsche Gefangene getötet, noch am allerletzten Tag vor der Befreiung 1944 erschoss Tuvia Bielski einen seiner eigenen Kämpfer wegen Disziplinlosigkeit.
Ein hoher Anspruch, der nicht immer eingelöst wurde
Widerstand, und sei es auch der gerechteste, ist selten so ausschließlich edel wie in Heldenlegenden. "Wir werden gejagt wie Tiere, aber sie werden keine Tiere aus uns machen", hatte Tuvia Bielski seinen Leuten zugerufen, auch im Film eine der Schlüsselszenen.
Er zeigt immerhin, dass auch die Bielski-Brigade diesen hohen Anspruch nicht immer einlöste: Selbstjustiz im Lager, Machtkämpfe, Todesschüsse auf Helfer der Deutschen und eine grässliche Lynchszene, in der die geflüchteten Juden einen gefangenen, um sein Leben flehenden Wehrmachtssoldaten massakrieren.
Die in Polen lange kursierende Behauptung, die Bielskis hätten ein ganzes polnisches Dorf ausgerottet, entbehrt freilich jeder Grundlage, verantwortlich waren Partisanen der Roten Armee.