Jubiläum:Die Linke feiert Kindergeburtstag

10 Jahre Die Linke

Die Linke-Parteivorsitzende Katja Kipping verteilt Stücke einer Geburtstagstorte bei einem Empfang zum zehnten Geburtstag der Partei.

(Foto: dpa)

Beim Jubiläum darf etliche Stunden lang jeder sprechen, der in der Partei Rang und Namen hat (oder hatte): Von Lafontaine bis Kipping, von Gysi bis Wagenknecht.

Von Markus Mayr, Berlin

Der Kuchen ist fast einen halben Quadratmeter groß. Und er schrumpft kontinuierlich. Vor dem Karl-Liebknecht-Haus, dem Sitz der Linken in Berlin, stehen Menschen, die meisten eher älter als jünger, und versuchen mit Plastikgabeln den marzipansüßen und zähen Kuchenüberzug zu zerteilen. Aus einem Berliner-Kindl-Stand heraus wird Sekt und Bier von Radeberger gereicht.

Dann die freundliche Aufforderung, doch bitte auszutrinken und nach nebenan zu gehen, in die Volksbühne. Dort wird gleich etliche Stunden lang jeder sprechen, der in der Partei Rang und Namen hat (oder hatte): Von Lafontaine bis Kipping, von Gysi bis Wagenknecht. Danach ist Party angesagt. Die Linke hat was zu feiern. Wenn man so will, ihren Kindergeburtstag.

Am 16. Juni 2017 ist die Linke zehn Jahre alt geworden. Während die grüne Partei schon in einem Alter ist, in dem Menschen dazu neigen, spießig zu werden (und ihre Politiker auch); die SPD sich kaum noch an ihren 100. Geburtstag zurückerinnern dürfte, so lange ist der schon wieder her; und CDU/CSU bereits im Rentenalter sind, aber wegen ihres Konservatismus' manchmal noch viel älter wirken, nähert sich die Linke in dieser Ausprägung erst allmählich dem Teenager-Alter.

Das zeigt sich auch darin, dass manche ihrer Spitzenpolitiker die gepflegte Provokation schätzen. Man möge nur mal an Sahra Wagenknecht denken, die Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, die sich auch nicht scheut, mit eher nicht-linken Aussagen zur Zuwanderung für Aufschreie zu sorgen.

Beim Gründungsparteitag sang Konstantin Wecker

Vor genau zehn Jahren, am 16. Juni 2007, wurde die Die Linke geboren. Damals schloss sich die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit, kurz WASG, mit der PDS zu einer neuen Partei zusammen: Westdeutsche Gewerkschafter und von Gerhard Schröders Sozialpolitik enttäuschte SPDler mit der SED-Nachfolgepartei aus dem Osten. Die Fusion der Linken aus dem Westen mit denen aus dem Osten, an deren Spitze anfangs Oskar Lafontaine (für die WASG) und Lothar Bisky (für die PDS) standen, wurde im Berliner Estrel Hotel vollzogen.

Zum Anlass passend liegt das prächtige Gästehaus an der Sonnenallee - jener Straße, die in Westberlin beginnt, sich dort über einige wenige Kilometer erstreckt bis sie ihr kurzes Ende im Osten findet. Von Mauerbau bis Wiedervereinigung unterbrach sie der Todesstreifen. Und ein Film, der so heißt wie die Straße, erzählt ziemlich lustig davon, wie sich die Jugend im kürzeren Teil abmühen musste, um die Musik hören zu können, die sie fett fand. Die Stones waren leider verboten.

Ob man die Musikauswahl der Linken zu ihren Feiern in ebendiese Kategorien einordnen möchte, sei jedem selbst überlassen. Beim Gründungsparteitag sang Konstantin Wecker, der Musiker aus München, der sich früher gerne mal auflehnte oder kokste.

Wecker gilt als einer der größten deutschen Liedermacher. Allerdings hatte die Linke in Bayern Zeit ihres Lebens nie etwas zu melden, weshalb sie diesmal, 10 Jahre später, vielleicht Schwierigkeiten hatte, den dem Rentenalter nahen Wecker aus seiner Wohnung in Schwabing zu holen und erneut zu engagieren. Vielleicht schätzt die Partei aber auch einfach die Abwechslung.

Anzeichen für Drogenkonsum? Nicht die Spur

Wie dem auch sei, zum Jubiläum in der Volksbühne singt Annika von Trier, deren Stimme und Loblied auf die Partei mühelos den Theatersaal füllen. Anzeichen für Drogenkonsum? Nicht die Spur. Am Samstag aber, wenn die Fete auf der Straße vor dem Karl-Liebknecht-Haus weitergeht - der erste runde Geburtstag will schließlich ausgiebig gefeiert werden - werden The Toten Crackhuren im Kofferraum auftreten. Jede Beschreibung dieser Frauen-Combo muss hinter ihrer eigenen Darbietung zurückstehen, deshalb hier ein Link zu einem Video.

Doch an diesem Freitagabend geht es gesittet zu. Theaterregisseur Volker Lösch prophezeit der Partei in seinem Grußwort, dass sie später, wenn sie groß sei - älter und hoffentlich bei 30 Prozent oder mehr - sicherlich schön und attraktiv sein werde. Es folgen Reden der Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger, Gesprächsrunden mit ihren Vorgängern und den Spitzenkandidaten Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht.

Gregor Gysi ist da, der Elder Statesman der Linken, und gegen Ende kommt auch der Gründungsvorsitzende Oskar Lafontaine auf die Bühne, der inzwischen die Opposition im saarländischen Landtag anführt und nicht mehr die Bundespartei. Er hält eine kämpferische Rede gegen die herrschenden Machtstrukturen in der Gesellschaft, gegen den Neoliberalismus und wünscht seinen lieben Freundinnen und Freunden "Glück auf" für die Bundestagswahl.

Wie es scheint, sind sie alle gekommen, um ihre Partei zu feiern, in Erinnerungen zu schwelgen und sich selbst und ihre Fans einzuschwören auf die heiße Phase des Wahlkampfs. Die Linke ist Oppositionsführer - und wenn Martin Schulz, der Kanzlerkandidat der SPD die Linke weiterhin meidet - dann ist diese Position die beste, die die Partei im Herbst erreichen kann.

Einer aber kann bei diesem Jubiläum nicht mehr dabei sein. Lothar Bisky ist vor vier Jahren verstorben. Er und Lafontaine waren die ersten Vorsitzenden der neuen Partei. Und Bisky war es, der damals diesen einen Satz gesagt hat, der zu diesem Jubiläum passt: "Wir sind gekommen, um zu bleiben." Und weil sie das sind, passt es auch, dass die jetzige Vorsitzende Katja Kipping ihr Glas auf die nächsten Jahrzehnte der Partei hebt.

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