Jubiläum der deutsch-französischen Aussöhnung:Freundschaft in Turbulenzen

Lesezeit: 3 min

Frankreichs Präsident Hollande und Bundeskanzlerin Merkel feiern - genau wie ihre Amtsvorgänger vor 50 Jahren - in der Kathedrale von Reims die Aussöhnung beider Länder. Allerdings sind die Beziehungen gerade jetzt angespannt.

Stefan Ulrich, Reims

Déjà-vu in Reims: Wenn sich die Kanzlerin und der Präsident am Sonntag in der Hauptstadt der Champagne treffen, wird die Choreografie jener Begegnung vor einem halben Jahrhundert folgen.

Francois Hollande,  Angela Merkel

Präsident François Hollande und Kanzlerin Angela Merkel werden in der Kathedrale von Reims die Feierlichkeiten zum Jubiläum der deutsch-französischen Aussöhnung, so wie 50 Jahre zuvor Charles de Gaulle und Konrad Adenauer. Die Abläufe ähneln sich also  - doch der Kontext hat sich verändert.

(Foto: AP)

Wie damals, als sich am 8. Juli 1962 Konrad Adenauer und Charles de Gaulle begegneten, so sollen nun Angela Merkel und François Hollande unter Hochrufen des Volks vor der gotischen Kathedrale eintreffen, eine Truppenparade abnehmen und vom Erzbischof in die Kirche geleitet werden. Seinerzeit folgte eine "Messe für den Frieden". Heute wird auf Wunsch des Élysée eine laizistische Feier abgehalten, allerdings mit der Johannes-Passion von Bach.

Danach geht es zum Mittagessen ins Rathaus. Das Menu, hat die Bürgermeisterin verraten, orientiert sich an der Speisenfolge von vor 50 Jahren. Schon damals gab es kalten Lachs mit Sauce Vénitienne, Filet vom Charolais-Rind und Vacherin-Torte. Nichts Neues in Reims? Viel Symbolik und ein hohes Lied auf die deutsch-französische Freundschaft?

Die Abläufe ähneln sich, doch der Kontext hat sich verändert. Als Adenauer und de Gaulle in der Champagne die Aussöhnung der beiden Völker zelebrierten, war der Zweite Weltkrieg gerade einmal 17 Jahre vorbei. Angst, Leid und Rachegefühle waren sehr lebendig, das schlimme Wort von der "Erbfeindschaft" spukte noch in den Köpfen herum.

Auf beiden Seiten des Rheins gab es Vorbehalte gegen eine enge Entente der alten Gegner. Die beiden Präsidenten wussten, dass sie ihr jeweiliges Volk für eine Aussöhnung gewinnen mussten. Das gelang mit ihrem symbolreichen Auftritt in Reims. François Marty, der damalige Erzbischof, schrieb in seinen Memoiren: "Dieser Besuch setzte ein viel wirksameres Zeichen als lange Gespräche und Reden über den Frieden."

Von deutscher Seite mehr emotional, von französischer eher rational

Und heute? Heute ist die deutsch-französische Freundschaft Alltag. Der Élysée-Vertrag, der im Januar 1963 von de Gaulle und Adenauer unterzeichnet wurde, schaffte die Grundlage für regelmäßige Treffen der Regierungen, für politische Absprachen insbesondere in der Europapolitik, für unzählige Städtepartnerschaften, Schüleraustausche und für das Deutsch-Französische Jugendwerk, das als "schönstes Kind des Élysée-Vertrags" bezeichnet wird.

Franzosen und Deutsche steuern - trotz manchen Zwists - bislang erfolgreich die europäische Integration. Sie bauen gemeinsam Flugzeuge, dienen in einer Brigade und demonstrieren mit dem zweisprachigen Fernsehsender Arte, was Qualitätsfernsehen leisten kann. Die "Erbfeindschaft" hat sich in den Keller der Geschichte verzogen. Umfragen belegen, wie sehr sich die beiden Völker schätzen, wobei die Beziehung von deutscher Seite mehr emotional, von französischer eher rational geprägt ist.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema