Ähnlich wie jetzt im Fall des Äthiopiers Abiy Ahmed war auch der Friedensnobelpreis, den der Kolumbianer Juan Manuel Santos 2016 erhielt, ein politischer Eingriff. Der damalige Staatspräsident wurde nicht etwa ausgezeichnet, weil er sein Land abschließend befriedet hätte, sondern weil das Komitee in Oslo ihm offensichtlich auf einem sehr steinigen Weg den Rücken stärken wollte. In dem Moment, als der Anruf aus Norwegen kam, schien das Lebenswerk von Santos in Trümmern zu liegen.
Fünf Tage zuvor hatten die Kolumbianer seinen mühsam ausgehandelten Friedensvertrag mit der Farc-Guerilla in einem Referendum abgelehnt. Nach fünf Jahrzehnten Bürgerkrieg mit mehr als 200 000 Toten schien alle Hoffnung auf eine neue Ära in Kolumbien zu schwinden. Santos war damals drauf und dran zurückzutreten, erst der Nobelpreis gab ihm die Kraft, seinen Plan gegen alle Widerstände durchzuziehen. Regelrecht trotzig.
2017 unterzeichneten die Konfliktparteien ein leicht überarbeitetes Friedensabkommen, die größte und älteste Guerilla Lateinamerikas legte ihre Waffen nieder. Es ist nicht übertrieben zu sagen: Ohne die Intervention aus Norwegen wäre das nicht möglich gewesen.
Selten hatte die Vergabe eines Nobelpreises so unmittelbaren Einfluss auf den Lauf der Geschichte. Und Santos, der diese Schubkraft zu nutzen wusste, gebührt ein prominenter Platz in den historischen Büchern. Gleichwohl hinterlässt er auch ein tragisches Erbe, denn es zeigt sich mehr und mehr: Frieden auf dem Papier und Frieden in den Köpfen, das sind zwei verschiedene Dinge. Das große Töten ist in Kolumbien noch nicht vorbei, die ländlichen Regionen sind nicht sicherer geworden. Teile der Farc leben wieder im Wald. Eine kriegstraumatisierte Gesellschaft ist noch nicht bereit zur Versöhnung. Der international hoch angesehene Santos, Kolumbiens einziger Nobelpreisträger neben dem Schriftsteller Gabriel García Márquez, schied 2018 als der unbeliebteste Präsident in der Geschichte des Landes aus dem Amt.
Sein großes Versäumnis ist, dass er die Ursachen des Konfliktes nie angetastet hat. Reichtum und Boden sind in diesem Land weiterhin so ungleich verteilt wie in einem mittelalterlichen Feudalstaat. Die Bauern sind so arm wie eh und je, die Eliten sind dieselben geblieben. Zu diesen Eliten gehört im Übrigen auch der schwerreiche Familienclan des Friedensstifters Santos.