Nach der Bespitzelung von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst wird die Frage nach der politischen Verantwortung laut. Journalistenverbände, Verleger und Politiker reagierten empört auf die bis in die jüngste Zeit reichenden Vorgänge.
Die Bundesregierung beteuerte, sie habe ein "großes Interesse an einer Aufarbeitung des Sachverhaltes". Dafür sei allerdings das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestags zuständig. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte, die Bundesregierung wünsche "solche unehrenhaften Infiltrationsversuche nicht" und werde dagegen vorgehen, "wenn es sie gegeben hat".
Er wolle den Beratungen im PKG aber nicht vorgreifen. Wie die Süddeutsche Zeitung erfuhr, hat das PKG kurzfristig eine Sondersitzung für nächsten Dienstag angesetzt, um einen Bericht des Sonderermittlers Gerhard Schäfer schnell bewerten zu können.
Der frühere Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof hat in einer vertraulichen Untersuchung belegt, dass der BND jahrelang Journalisten bespitzelt, Kollegen aufeinander angesetzt und Journalisten als Informanten bezahlt hat. Telefone von Journalisten wurden offenbar aber nicht abgehört. Zumindest hat Schäfer darauf keine Hinweise gefunden.
"Gravierender Vorgang"
Unions-Vizefraktionschef Wolfgang Bosbach sagte der SZ, die Intensität und der lange Zeitraum der BND-Operationen sprächen dafür, dass mehr Leute im BND davon gewusst hätten als bisher bekannt.
"Der Glaube, dass ausschließlich übermotivierte BND-Mitarbeiter ohne Wissen der Hausführung über einen längeren Zeitraum hinweg tätig waren, dieser Glaube fehlt mir." Bosbach nannte die Vorfälle einen "gravierenden Vorgang", der nicht nur die grundgesetzlich geschützte Pressefreiheit berühre, sondern ein "verheerendes Signal" setze, nämlich dass der BND versuche, Journalisten einzuschüchtern.
Der BND wollte sich am Freitag zu den Überwachungen und dem Bericht nicht äußern. Ein Sprecher sagte nur, die Vorwürfe seien alt. Focus-Chefredakteur Helmut Markwort kündigte Strafanzeige gegen die Verantwortlichen beim BND an.
Der Deutsche Journalisten-Verband fordert die vollständige Veröffentlichung des Berichts. Auch die Verleger verlangen rückhaltlose Aufklärung. Der FDP-Politiker Max Stadler, Mitglied im PKG, nannte die Vorgänge "skandalös". Es sei nicht damit getan, dass über den Bericht in einer geheimen Sitzung beraten werde.
"Anschlag auf die Pressefreiheit"
"Die Bundesregierung kann gar nicht anders, als die Vorgänge öffentlich zu erörtern. Kanzleramt und BND-Präsident müssen öffentlich Stellung dazu beziehen", sagte Stadler der SZ.
Sein PKG-Kollege Wolfgang Neskovic von der Linken fordert personelle Konsequenzen. Er habe sich "vorher nicht vorstellen können, welchen Umfang die Aktivitäten gegen Journalisten angenommen haben". Der Schäfer-Bericht erwecke den Eindruck, "dass die Ausforschung von Journalisten systematisch geschehen ist".
Grünen-Chefin Claudia Roth sieht einen "unverfrorenen Anschlag auf die Pressefreiheit".