Jordanien:Süßigkeiten aus Damaskus

Jordanien: In einem Einwanderungsland: Ein vierjähriges syrisches Mädchen in einem Slum-Viertel von Amman.

In einem Einwanderungsland: Ein vierjähriges syrisches Mädchen in einem Slum-Viertel von Amman.

(Foto: AFP)

In dem kleinen Königreich haben Syrer, was sie sonst nicht haben: Chancen.

Von Ronen Steinke

Freitagabend in Amman. Kinder drücken ihre Nasen an den Vitrinen platt, Männer wedeln vor der Kasse mit Bestellzetteln, es ist brechend voll in der Konditorei "Nafisah" im Zentrum der jordanischen Hauptstadt. Die Auslagen sind voll mit Blätterteig-Konfekt, kleiner als die türkische Variante, dafür aufwendiger und teurer. "Süßigkeiten aus Damaskus" steht auf goldenen Schachteln, die der 23 Jahre alte Mitarbeiter Mohammed Salim über die Theke reicht. Zu Hause in Syrien war er Wirtschaftsstudent, "aber als Bäcker ist es leichter, ein neues Leben aufzubauen", sagt er. Syrer genießen einen Ruf als gute Handwerker.

Ein neues Leben aufbauen: In Jordanien ist das für Flüchtlinge aus Syrien leichter als in Europa oder der Türkei. Nicht nur wegen der gemeinsamen arabischen Sprache, sondern auch, weil Jordanien sich seit jeher als Einwanderungsland versteht. 600 000 Syrer leben inzwischen hier. Um fast ein Zehntel hat Jordaniens Bevölkerung dadurch zugelegt. Aber es ist bemerkenswert, wie wenig ihre Ankunft das Land aus dem Gleichgewicht bringt.

Die Flüchtlinge müssen sich in der Hierarchie unten einreihen - doch Aufstieg ist möglich

Es gibt bereits ein kurdisches Viertel in Amman, es gibt ein palästinensisches, es gibt auch die reichen Iraker, die 2003 hierher geflohen sind und riesige alte Palmen aus der Heimat haben heranschleppen lassen. Und nun gibt es eben die Syrer.

Noch vor hundert Jahren lebten im ganzen heutigen Jordanien nur 200 000 bis 300 000 Menschen, erst die Migrationsschübe im Takt der regionalen Kriege - 1948, 1967 und so fort - haben ein Millionenvolk entstehen lassen. Jedes Mal wuchsen die Städte, stiegen die Mieten, rutschten die Alteingesessenen in der gesellschaftlichen Hierarchie weiter nach oben.

Die Familien der Ur-Jordanier, sogenannte Transjordanier, haben die Kontrolle über den Staat behalten, die Monarchie macht es möglich. Sie weisen jeder neuen Gruppe ihren Platz zu. Den Palästinensern gehört heute die Wirtschaft, sie sind erfolgreich, von ihren Steuern leben die beim Staat angestellten Ur-Jordanier gut. Die Syrer hingegen, die neueste Gruppe, müssen sich als Tagelöhner und Schwarzarbeiter unten einreihen.

Aufstieg ist für sie trotzdem möglich. 85 Prozent der syrischen Flüchtlinge in Jordanien leben bereits in regulären Wohnungen, auch wenn viele erbärmlich sind, im nackten Beton der halbfertigen Hochhäusern am Ende der Königin-Rania-Straße in Amman zum Beispiel. Gleich neben der von Syrern gegründeten Konditorei "Nafisah" haben schon zwei weitere syrische Restaurants eröffnet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: