Süddeutsche Zeitung

John Kerry:Mann mit Mission

Obama hat sich offenbar entschieden: John Kerry, Vietnamveteran und ehemaliger Präsidentschaftskandidat, soll amerikanischer Außenminister werden. Sogar die Republikaner unterstützen seine Nominierung - obwohl er als Senator für das Recht auf Abtreibung und gegen die Todesstrafe eintritt.

Von Matthias Huber

Selbst die Republikaner wollen ihn in diesem Amt sehen: John Kerry, Senator von Massachussetts und ehemaliger Präsidentschaftskandidat der Demokraten, soll Hillary Clinton in das Amt des amerikanischen Außenministers folgen. Damit würde sich Obama einen Außenpolitik-Fachmann ins Kabinett holen. Schon die Kampagne für die Präsidentschaft 2004, als Kerry knapp gegen Amtsinhaber George W. Bush verlor, baute er auf seiner außenpolitischen Erfahrung auf.

"Messt mich an meinem Leben", sagte Kerry während des Wahlkampfes oft, wenn Zuhörer und Kritiker nach seinen Qualifikationen und seiner Vergangenheit fragten. Kerry war sechs Monate im Dschungel von Vietnam im Kampfeinsatz, erhielt für diese Zeit einen Silver und einen Bronze Star sowie drei Purple Hearts für Verwundungen im Kampfeinsatz.

Nach seiner Rückkehr in die USA wandelte sich der Politik-Absolvent der renommierten Yale-Universität zum Kriegsgegner, wurde zum Mitgründer und Sprecher der "Vietnam Veterans against the War". 1971 erlangte Kerry mit einer leidenschaftlichen Rede vor dem Senatsausschuss plötzliche Berühmtheit, in Fernsehinterviews prangerte er zahlreiche amerikanische Kriegsverbrechen in Südostasien an.

Gemeinsam mit John McCain, der 2008 als republikanischer Präsidentschaftskandidat gegen Barack Obama antrat, hatte Kerry mit der kommunistischen Führung in Hanoi über den Verbleib von US-Soldaten in Vietnam - als Kriegsgefangene oder Vermisste - verhandelt. Die dabei erzielte Einigung legte den Grundstein für die Normalisierung des Verhältnisses zwischen Vietnam und den USA.

Gegen den ersten, für den zweiten Irakkrieg

Seine Vergangenheit als Kriegsgegner ebenso wie seine jüngeren außenpolitischen Entscheidungen benutzte die republikanische Partei im Präsidentschaftswahlkampf 2004 als Munition gegen den demokratischen Herausforderer. Sie warf ihm Unentschlossenheit vor, weil er noch 1991 unter George Bush sen. gegen den Irakkrieg gestimmt hat. Im Oktober 2002 stimmte Kerry aber der Resolution zu, die George W. Bush einen Militäreinsatz im Irak erlaubte.

Nach seiner Wahlniederlage 2004 plante Kerry ursprünglich, 2008 erneut anzutreten, verzichtete aber und unterstützte stattdessen Obama in seinem Wahlkampf. Seitdem gilt er als loyaler Helfer der Regierung: 2009 entsandte ihn das Weiße Haus nach Afghanistan, wo er Präsident Hamid Karzai davon überzeugte, eine Stichwahl zu akzeptieren. Als Senator - 2008 begann bereits seine fünfte Amtszeit - setzte er sich erfolgreich für Obamas Anliegen wie einen neuen amerikanisch-russischen Vertrag zur Abrüstung des atomaren Arsenals ein.

Kerry gilt als liberaler Demokrat: Er ist Befürworter des Rechts auf Abtreibung, vehementer Gegner der Todesstrafe und Verfechter strengerer Schusswaffen-Kontrollen. Als Senator setzte er sich für eine allgemeine Krankenversicherung sowie für Umweltschutz und alternative Energien ein. Doch mit seinem außenpolitischen Einsatz verdiente sich Kerry mittlerweile auch den Respekt der Republikaner.

John Kerry gilt als elder statesman

Obamas Wunschkandidatin für das Amt der Außenministerin, Susan Rice, hatte am vergangenen Donnerstag dem Druck der politischen Gegner nachgegeben und ihre Bewerbung zurückgezogen. Republikaner hatten ihr vorgeworfen, nach der Erstürmung des US-Konsulats in Bengasi im September die Öffentlichkeit mit Behauptungen getäuscht, es habe sich um eine spontane Attacke gehandelt. Deshalb drohten die republikanischen Senatoren, Rice ihre Zustimmung zu verweigern.

John Kerry dagegen scheint unter Republikanern beinahe mehr Zustimmung zu genießen als unter seinen eigenen Parteifreunden. Seit seiner gescheiterten Präsidentschaftskandidatur ist es dem inzwischen 69-jährigen Kerry gelungen, sich einen Ruf als elder statesman zu erarbeiten - auch beim politischen Gegner.

Chuck Hagel, Republikaner, Vietnam-Kamerad und Senatskollege aus Nebraska, gilt als Obamas Favorit für das ebenfalls frei werdende Amt des Verteidigungsministers. Und er hatte Kerry schon während des Wahlkampfes 2004 Respekt gezollt: "Er ist ein gereifter, kluger, harter, redegewandter Wahlkämpfer, der dem amerikanischen Volk ziemlich viel vorweisen kann."

In einer früheren Fassung des Textes wurde das Purple Heart fälschlicherweise als "die höchste Tapferkeitsmedaille" der USA bezeichnet.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1551935
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.