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Großbritannien:John Bercow läuft zur Labour-Partei über

Der ehemalige Sprecher des britischen Parlaments kehrt den Tories den Rücken und wechselt zum politischen Gegner. Dabei greift er Premier Johnson scharf an.

In seiner Zeit als Sprecher des britischen Unterhauses wurde John Bercow seiner markanten "Order"-Rufe und auffälligen Krawatten wegen zu einer Art Polit-Popstar. Deshalb sorgt das, was er jetzt verkündet hat, nicht nur in Großbritannien für Schlagzeilen. Er sei nicht mehr länger Teil der konservativen Tories, sagte er in einem am Samstag erschienenen Interview mit dem Observer. Mehr noch, er sei vor einigen Wochen in die Labour-Partei eingetreten.

Er halte die konservative Partei für "reaktionär, populistisch, nationalistisch und manchmal sogar ausländerfeindlich", sagte er. Er setze sich für Gleichheit, soziale Gerechtigkeit und Internationalismus ein, und das sei ihm nur in der Labour-Partei möglich: "Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass diese Regierung abgelöst werden muss."

Auch gegen Boris Johnson direkt teilte Bercow aus. Der Premierminister sei "ein erfolgreicher Wahlkämpfer, aber ein miserabler Regierungschef" ohne Vision für eine gerechtere Gesellschaft.

Schon während des langen Ringens um den Brexit waren seine konservativen Parteikollegen immer wieder erzürnt über John Bercow. Auch wenn er als Sprecher unabhängig zu sein hatte, trat der selbstbewusste und redegewandt Politiker als Brexit-Kritiker auf.

Bercow war mit 17 der konservativen Partei beigetreten und ordnete sich damals dem rechten Flügel zu.

Als Sprecher des Unterhauses war Bercow 2019 nach zehn Jahren in diesem Amt zurückgetreten. Die Tories hatten davor angekündigt, bei der vorgezogenen Neuwahl einen internen Gegenkandidaten gegen Bercow aufzustellen - was ein Bruch der parteiinternen Regeln gewesen wäre. Dem kam Bercow zuvor.

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