Süddeutsche Zeitung

Jörg-Uwe Hahn und Alltagsrassismus:Politische Dumpfheit eines Ego-Shooters

Jörg-Uwe Hahn ist kein Rassist. Mit seinen Äußerungen über Parteichef Rösler hat der FDP-Mann aus Hessen dennoch völlig daneben gegriffen. Das asiatische Aussehen Röslers derart zu thematisieren, beschädigt vor allem ihn selbst. Und es diskreditiert die wichtige Debatte über Alltagsrassismus.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Hat er gemeint, was er gesagt hat? Oder gesagt, was er gemeint hat? So ganz lässt sich das nicht aus dem Interview herauslesen, das der hessische FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn der Regionalzeitung Frankfurter Neue Presse gegeben hat. Der eine Satz, der jetzt für Empörung sorgt, ist für sich genommen ja durchaus eine Wucht: "Bei Philipp Rösler würde ich allerdings gerne wissen, ob unsere Gesellschaft schon so weit ist, einen asiatisch aussehenden Vizekanzler auch noch länger zu akzeptieren."

Sprachlich ist das völlig verunglückt. So wie es da steht, kann wer will herauslesen, Hahn und viele potentielle FDP-Wähler hätten ein Problem mit der vietnamesischen Abstammung des Parteivorsitzenden. Einen solchen Satz in einem Interview zu autorisieren, zeugt von politischer Dumpfheit, die bestraft gehört.

Es ist jetzt leicht, Hahn in die rassistische Ecke zu stellen. Aber da gehört der Duz-Freund von Roland Koch nicht hin. So nimmt ihn auch der Vorsitzende der hessischen Ausländerbeiräte, Corrado Di Benedetto, in Schutz: "Er ist nicht rassistisch eingestellt."

Hahn ist nicht gerade ein Freund Röslers. Das ist bekannt. Er war auch schon kein Freund Westerwelles. Er gehört einfach zu jenen Ego-Shootern in der FDP, die erst mal das eigene Wohl vor jenes der Partei stellen. Damit wiederum steht er nicht alleine.

Hahn setzt Rösler auf den Präsentierteller

Dass der hessische Integrationsminister Hahn jetzt auf Twitter beteuert, er habe eine Debatte über alltäglichen Rassismus anregen wollen, macht die Sache nicht besser - selbst wenn das tatsächlich der Wahrheit entspricht. Was hat er sich dabei gedacht, Rösler als Beispiel zu nehmen? Er setzt ihn damit mitten auf den Präsentierteller, indem er ihn bei einer möglichen Wahlniederlage im Herbst jetzt schon zum Opfer des rassistischen Bodensatzes in dieser Gesellschaft macht. Das hat Rösler nicht verdient.

Und schon gar nicht haben soviel Beachtung jene Spinner verdient, die an Wahlkampfständen davon sprechen, sie würden ja FDP wählen, wenn es da nicht diesen Chinesen an der Spitze gebe, wie Lasse Becker jetzt berichtet, Chef der Jungliberalen.

Fakt ist: Es gibt Alltagsrassismus in Deutschland. Quer durch alle Schichten. Und mit Sicherheit trifft er auch Rösler. Wenn der mal seine Ordner mit Briefen von Bürgern öffnen würde, da würde sicher manch zart Besaitetem Hören und Sehen vergehen. So erginge es ihnen wohl auch mit den Zuschriften an den Grünen-Chef Cem Özdemir, den SPD-Mann Sebastian Edathy oder die noch amtierende niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan von der CDU. Selbst unsere Kollegen mit ausländisch klingenden Namen könnten ein Lied davon singen.

Die Debatte an sich ist sehr wichtig. Sie wird in diesem Land seit Jahrzehnten kontinuierlich geführt. Mal mit mehr, mal mit weniger hoher Aufmerksamkeit. Ausländerhass, oder besser die Angst vor dem Fremden, lässt sich aber nicht eindämmen, in dem jetzt ein Spitzenpolitiker auf den Marktplatz gestellt wird und daneben steht ein Herr Hahn und ruft: Na, würdet ihr diesen Chinesen wählen?

Es gibt gute Gründe, weshalb sich Hahn öffentlich oder unter vier Augen bei Rösler entschuldigen sollte. Noch besser wäre es, wenn er demnächst noch einmal nachdenkt, bevor er solche Interviews freigibt. Geschadet hat dieses bisher vor allem ihm selbst. Oder, um hier den FDP-Bundestagsabgeordneten Lars Lindemann mit treffenden Worten zu zitieren: Hahns Äußerungen seien "grenzdebil", "er gibt Antworten auf Fragen, die niemand stellt".

Dem ist nichts hinzuzufügen.

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