Joe Biden und der Inselstreit:Der richtige Mann für den heiklen Augenblick

Joe Biden Xi Jinping

Kennen sich gut: US-Vizepräsident Biden und Chinas Präsident Xi Jinping, hier bei einem Treffen 2011

(Foto: AFP)

Eindämmen, ohne zu brüskieren: Im Inselstreit zeigt sich die paradoxe Strategie der USA im Umgang mit China. Washington und Peking sind massiv voneinander abhängig - trotz aller Rivalität. US-Vizepräsident Biden muss auf seiner Asienreise jetzt diplomatisches Geschick beweisen.

Von Nicolas Richter, Washington

Chinas Präsident Xi Jinping bewundert es, mit welcher Leichtigkeit Joe Biden auf Menschen zugeht. In dieser Woche wird Xi selbst ein Ziel der Umarmungs- und Überzeugungskünste des amerikanischen Vizepräsidenten sein. Biden hat am Montag eine mehrtägige Asienreise begonnen, die ihn inmitten wachsender Spannungen nach Tokio, Seoul und Peking führen soll.

Bidens Reise ist seit Langem geplant, bekommt nun aber ein unerwartetes Gewicht. Jüngst hat sich der Streit zwischen Peking und Tokio um unbewohnte Inseln im Ostchinesischen Meer zugespitzt; die Inseln werden von Japan verwaltet, aber von China beansprucht. Peking möchte neuerdings den Luftraum über dem strittigen Gebiet kontrollieren und verlangt, dass sich ausländische Flugzeuge anmelden, was Japan und teilweise auch die USA ablehnen. Mögliche Zwischenfälle mit zivilen oder militärischen Flugzeugen könnten sich nun rasch zu einer weltweiten Krise auswachsen.

Biden, dessen Auslandsreisen sonst wenig Beachtung finden, muss jetzt seine diplomatischen Fähigkeiten beweisen. Er ist vermutlich der richtige Mann für den heiklen Augenblick: Das Verhältnis zu Xi hat er schon gepflegt, als der noch Vizepräsident der Volksrepublik war. Bei stundenlangen Gesprächen hat Biden seinen chinesischen Kollegen besser kennengelernt als jeder andere in Washington.

Warnung von einer unbeabsichtigten Eskalation

Außenpolitische Experten im Weißen Haus haben erklärt, der Inselstreit habe wenig mit den Gebieten an sich zu tun, die bislang allenfalls für Fischer interessant waren. Eher sehe sich die chinesische Führung inzwischen politisch und militärisch in der Lage, ihre Ansprüche auf die Inseln aggressiver geltend zu machen als bisher. Peking wolle zudem seinen Einflussbereich ausbauen, von der eigenen Küste bis weit hinaus in den Pazifik. Die USA missbilligen vor allem, dass Peking den alten Territorialstreit mit einseitigen Vorstößen lösen will. Tom Donilon, ein langjähriger Berater von US-Präsident Barack Obama, warnt vor dem Risiko, dass sich "jemand verrechnet", es also zu einer unbeabsichtigten Eskalation kommt.

In Washington heißt es, Biden werde in Peking zwar seine Bedenken vortragen, aber vermittelnd auftreten und Vorschläge dazu machen, wie sich die Krise entschärfen lasse. Militärische Stärke muss Biden nicht zeigen, dies haben die USA bereits getan, als sie jüngst unbewaffnete B-52-Bomber unangemeldet durch den strittigen Luftraum schickten. Allerdings hat die US-Regierung amerikanische Fluggesellschaften auch dazu aufgefordert, deren Flüge in Peking anzumelden.

Die gemischte Botschaft fügt sich in die größere Strategie Washingtons, wonach man dem aufstrebenden China Grenzen setzt, ohne den Eindruck zu erwecken, es eindämmen zu wollen. Nach jahrelangen Kriegen in der islamischen Welt ist es das erklärte Ziel Obamas, den Schwerpunkt seiner Außenpolitik vom Mittleren in den Fernen Osten zu verlagern. Dazu gehört es, den US-Einfluss im Pazifik zu festigen und ein regionales Bündnis gegen die wirtschaftliche und militärische Übermacht Chinas zu schmieden, ohne Peking aber zu brüskieren.

Spannungen in der Region wachsen

Trotz aller Rivalität sind die USA und China voneinander abhängig, besonders beim Handel. Peking gehört überdies zu den größten Gläubigern Washingtons. Obama und Xi haben bei ihrem ersten Treffen im Frühjahr erklärt, ein neues Modell für die Beziehungen von Großmächten anzustreben. Biden dürfte nun neben dem Inselstreit die Konflikte mit Iran und Nordkorea ansprechen, Cyber-Sicherheit und den Schutz geistigen Eigentums.

Gleichzeitig wachsen die Spannungen zwischen Peking und einigen der engsten US-Verbündeten in der Region. Sowohl Südkorea als auch Japan planen neue Militärstützpunkte, um Pekings zunehmender Militärmacht etwas entgegenzusetzen. Eine echte Allianz ist daraus aber bisher nicht geworden: In Südkorea herrschen noch immer Vorbehalte gegen den einstigen Besatzer Japan; Japans Regierungschef Shinzo Abe und Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye reden nicht einmal miteinander.

Während seiner Aufenthalte in Tokio und Seoul dürfte Biden seine Verbündeten dazu auffordern, ihre Meinungsunterschiede hinter sich zu lassen, weil der große Rivale allein China sei. Eine ähnliche Botschaft hatte Obama im Herbst selbst vorbereitet, seine Reise nach Südostasien musste er dann aber absagen - wegen des Budgetstreits in Washington.

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