Süddeutsche Zeitung

Affäre um geheime Dokumente:Erste Demokraten gehen auf Distanz zu Biden

Lesezeit: 3 min

Der neuerliche Fund vertraulicher Akten im Haus des US-Präsidenten trägt ihm Schelte aus der eigenen Partei ein: Seine Umfragewerte seien zu tief für eine weitere Kandidatur.

Von Fabian Fellmann, Washington

Nach dem vierten Fund von Geheimdokumenten bei Joe Biden äußern sich auch Demokraten zunehmend kritisch über ihren Präsidenten. "Wenn solche Informationen gefunden werden, mindert dies das Ansehen der Person, weil das nicht geschehen sollte", sagte etwa Dick Durbin am Sonntag. Der Senator aus Illinois ist die Nummer zwei der Demokraten in der kleinen Kammer. Er kennt Biden noch aus der Zeit, als dieser selbst für Delaware im Senat saß, also bis 2009. Dann stieg Biden zum Vizepräsidenten im Weißen Haus auf.

Inzwischen sind auch Geheimdokumente aus jener lange zurückliegenden Senatskarriere in Bidens Haus in der Stadt Wilmington gefunden worden. Nur spärliche Details sind zu diesen Unterlagen bekannt. Bidens persönlicher Anwalt Bob Bauer teilte am Samstag mit, Agenten der Bundespolizei FBI hätten am Freitag mehr als zwölf Stunden lang sämtliche der offenbar zahlreichen Abflageflächen und Lagerräume in Bidens privatem Anwesen durchkämmt. Selbst den Putzschrank besichtigten die Polizisten gemäß Medienberichten. Zum Vorschein kamen dabei sechs weitere Aktenstücke mit Geheimmarkierungen. Das FBI stellte auch anderes Material sicher, unter anderem handschriftliche Notizen Bidens.

Solche Papiere in einem Lagerraum - "das ist inakzeptabel"

Die neuerlichen Funde stellen die bisherige Verteidigungsstrategie des Präsidenten in Frage. Er hatte stets geltend gemacht, die Vorschriften für den Umgang mit Geheimakten sehr ernst zu nehmen. Hinter den Kulissen verbreiteten seine Leute die These, Mitarbeiter Bidens hätten die Kisten unsorgfältig gepackt, als sie 2017 das Büro im Weißen Haus sowie die Residenz des Vizepräsidenten in einem Marinestützpunkt in Washington aufräumten. Mit dieser Erklärung jedoch dürfte es Biden kaum gelingen, die Funde von Unterlagen aus seiner Senatszeit zu begründen.

Er sei "besorgt", sagte nun Durbin am Wochenende. "Es gibt einen Standard für den Umgang mit Geheiminformationen, den wir als Kongressmitglieder befolgen", sagte der Senator aus Illinois. "Es ist schlicht inakzeptabel, dass solche Dokumente irgendwo in einem Lagerraum abgelegt wurden."

Biden werde hoffentlich Reue zeigen, sagte Joe Manchin, ein weiterer Senator aus West Virginia. Er könne sich jedenfalls nicht damit entschuldigen, seine Mitarbeiter hätten Fehler begangen. "Ich würde schauen, wer den Fehler gemacht hat", sagte Manchin. "Aber im Grunde trage ich die letzte Verantwortung", fügte er hinzu und wählte dafür einen Ausdruck, den auch Biden zu verwenden pflegt: "The buck stops with me."

Selbstverständlich weisen die Demokraten stets darauf hin, dass Biden voll mit dem Justizministerium kooperiert habe, als die ersten Geheimdokumente auftauchten - anders als Donald Trump, der die Behörden monatelang hinhalten und belügen ließ. Allerdings zeigt sich nun, dass auch im Fall Biden nicht alles rund gelaufen ist. Nach dem ersten Aktenfund im November hätten seine Anwälte herauszufinden versucht, ob weitere Funde zu erwarten seien.

Die Republikaner unterstellen, dass die Akten für Geschäfte dienten

Das hätten sie für wenig wahrscheinlich gehalten, gestützt auf Auskünfte von Mitarbeitern Bidens, wie die New York Times berichtet. Zudem hätten sie gehofft, dass das inzwischen eingeschaltete Justizministerium seine eigenen Abklärungen schnell beenden würde. Als jedoch mehrere Wochen verstrichen, seien Bidens Anwälte unruhig geworden und hätten sicherheitshalber selbst Bidens Haus durchsucht, zunächst, ohne das Justizministerium darüber zu informieren.

Die Republikaner wollen all diese Vorgänge nun gründlich durchleuchten. Der Abgeordnete Michael Turner sagte, er wolle wissen, wem Biden die Dokumente gezeigt habe. "Gibt es Verbindungen zum Familiengeschäft der Bidens?", fragte der voraussichtliche Vorsitzende des Geheimdienstausschusses. Für die Anhänger von Donald Trump ist die Antwort darauf klar: Sie unterstellen dem Präsidenten, er und sein Sohn Hunter hätten die Staatsgeheimnisse zu Geld gemacht.

Solche Interpretationen weisen die Demokraten entschieden zurück. Doch in der Partei macht sich Unbehagen breit. In Umfragen sagen zwei Drittel der Amerikaner, Biden habe Fehler begangen im Umgang mit Geheimakten. Bisher hat das kaum auf seine Popularitätswerte durchgeschlagen. Doch diese liegen auch so nur knapp über 40 Prozent. Das sei zu wenig, um sich demnächst als Kandidat der Demokraten ins Rennen für die Präsidentschaftswahl 2024 zu werfen. "Er müsste mindestens fünf oder sechs Punkte höher liegen", sagte ein Parteistratege der Publikation The Hill. Er äußerte sich nur anonym - doch scheint nun eine Dynamik in Gang zu kommen, in der sich Demokraten bald wagen könnten, den Präsidenten öffentlich dazu aufzufordern, auf eine weitere Kandidatur zu verzichten.

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