Süddeutsche Zeitung

USA:Dringend gesucht: Ein Weg, den Kubanern zu helfen

US-Präsident Biden hat sich bisher damit zufriedengegeben, die harschen Sanktionen seines Vorgängers Trump gegen Kuba bestehen zu lassen. Das wird er nicht mehr lange durchhalten können.

Von Thorsten Denkler, New York

US-Präsident Joe Biden hat sich Zeit gelassen. Erst am Montag äußerte er sich zu den seit Tagen laufenden Protesten in Kuba. "Wir stehen zum kubanischen Volk und seinem klaren Ruf nach Freiheit", heißt es in seiner wenige Zeilen langen Erklärung. Die Kubaner seien geschlagen mit der Pandemie und mit einem "autoritären Regime", das sein Volk unterdrücke und es wirtschaftlichem Leid aussetze. Biden appellierte an die kubanische Regierung, auf das Volk zu hören.

Was Biden nicht erwähnte, ist der Umstand, dass die USA am Leid der Kubaner einen nicht unerheblichen Anteil haben. Der damalige Präsident Barack Obama hatte zwar 2015 die Sanktionen gegen Kuba für beendet erklärt. Sein Nachfolger Donald Trump aber zog diese Schraube wieder kräftig an. Die von Trump verhängten Sanktionen gegen Kuba treffen die Menschen dort direkt. Vom Boden der USA aus ist jede Form von touristischer Reise auf die Karibikinsel verboten. Wer nach Kuba will, muss auf eigene Faust Flüge, Hotels, Bus- und Bahnverbindungen suchen - und einen gewichtigen Grund für seine Reise haben.

Es ist zudem fast unmöglich, von den USA aus Geld nach Kuba zu transferieren. Die geschätzt 2,3 Millionen Exil-Kubaner in den USA haben erhebliche Schwierigkeiten, Familien oder Freunde auf Kuba zu unterstützen. 2018 haben Kubaner alles in allem noch 6,6 Milliarden US-Dollar aus den USA empfangen. Inzwischen sind die Transfers nicht mehr der Rede wert. Wer kann, fliegt also rüber, die Taschen voll Bargeld.

Seit Bidens Amtsantritt hoffen viele Kubaner, dass der neue US-Präsident die harschen Sanktionen der Vorgängerregierung abschafft. Bisher aber hat es da keinerlei Bewegung in die Richtung gegeben. Im März erklärte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, Kuba gehöre "derzeit nicht zu Bidens Top-Prioritäten". Als einen Monat später Raul Castro als Vorsitzender der kommunistischen Partei Kubas abdankte, antwortete Psaki auf Nachfragen fast wortgleich: keine Priorität.

Ned Price, der Sprecher des US-Außenministeriums, verwies am Montag darauf, dass die Kuba-Politik der USA gerade einer Revision unterzogen werde. Was auch nichts anderes bedeutet, als dass Trumps restriktive Kuba-Politik unter Biden einfach fortgesetzt wurde. Dazu gehört übrigens auch, dass Kuba von der US-Regierung weiterhin als "Unterstützer des Terrorismus" eingestuft wird.

Bidens Linie wurde bisher auch von Parteifreunden unterstützt

Biden hatte für diese Linie bisher durchaus Unterstützer in den eigenen Reihen. Der demokratische Senator Bob Menendez aus New Jersey, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Senat, sagt: Das Regime müsse verstehen, dass nur innerer Wandel zu einer Änderung der Sanktionspolitik führen werde. Und nicht automatisch eine neue Präsidentschaft. Es sei deshalb wichtig gewesen, dass Biden die bestehenden Sanktionen nicht angefasst habe. Angesichts der Proteste sei aber auch er jetzt dafür, zu schauen, was getan werden könne.

Noch ist also nicht klar, wie die Biden-Regierung auf die Proteste in Kuba reagieren wird. Innenpolitisch ist das ein heikles Thema. Lockert er Sanktionen, ist er dem Vorwurf ausgesetzt, ein kommunistisches System zu stabilisieren. Für die Republikaner wäre das im anstehenden Wahlkampf zu den Kongresswahlen im kommenden Jahr eine willkommene Argumentationshilfe. Tut Bidens nichts, lässt er die Kubaner im Stich.

Biden bekommt also Druck von allen Seiten. Auch aus der alten Obama-Regierung, der er ja als Vize-Präsident angehört hat. Ben Rhodes beriet Obama in Fragen der Öffnung gegenüber Kuba. Jetzt sagte er dem Online-Magazin Politico, es sei leicht, Forderungen an die kubanische Regierung zu stellen, während man selbst nichts tue. "Ich glaube einfach nicht, dass das der Ansatz ist, der hier konstruktiv sein wird."

Sanktionen lockern wird nicht leicht

Dass es so nicht bleiben kann, scheint in der Biden-Regierung angekommen zu sein. Sprecherin Psaki sagte am Montag: "Wir prüfen, wie wir den Menschen in Kuba helfen können."

Einfach wird das nicht. Reiseerleichterungen könnten ein Mittel sein. Die Tourismus-Unternehmen auf Kuba aber werden vom Militär kontrolliert, das fest in der Hand des Castro-Clans ist. Jede Hotelübernachtung hilft letztlich dem System. Ein anderer Schritt wäre, wieder direkte Dollar-Überweisungen nach Kuba zu ermöglichen. Allerdings geht auch das kaum, ohne dass das kubanische Regime sich einen Teil davon abzwackt. Profitieren würde von den Überweisungen zudem nur jener kleine Teil der etwa elf Millionen Kubaner, der auf stabile und belastbare Auslandskontakte zurückgreifen kann.

In der Biden-Regierung fürchten manche, dass die humanitäre Krise in eine Migrationskrise umschlagen könnte. Die kubanische Regierung hat zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und zuletzt nach den großen Protesten von 1994 kritische "Intelectuales" in Massen ziehen lassen, um zu Hause Ruhe von den angeblichen Konterrevolutionären zu haben. Sollte Biden demnächst vor der Entscheidung stehen, ob er diese Menschen ins Land lässt, dann hätte seine Kuba-Politik wohl nicht funktioniert.

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