Naher Osten:Handschlag für ein wenig Hoffnung

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Washington D.C. am 13. September 1993: Jitzhak Rabin (li.) beim öffentlichen Handschlag mit PLO-Chef Jassir Arafat (re.). In der Mitte der gastgebende US-Präsident Bill Clinton (Foto: picture alliance / ASSOCIATED PR)
  • Itamar Rabinovich porträtiert in einer neuen Biographie den israelischen Staatsmann Jitzchak Rabin, für den ein Friede mit den Palästinensern nicht nur eine Vision war.
  • Als Offizier baute Rabin die israelische Armee auf, die er im Sechstagekrieg 1967 als Generalstabschef erfolgreich leitete, danach amtierte er zweimal als Premierminister.
  • 1994 erhielt er gemeinsam mit seinem damaligen Außenminister Peres und dem PLO-Chef Arafat den Friedensnobelpreis, im Folgejahr wurde er von einem rechtsextremen Israeli ermordet.

Rezension von Alexandra Föderl-Schmid

Viel von dem, was Israel vor der dritten Wahl binnen eines Jahres an diesem Montag beschäftigt, war schon für Jitzchak Rabin ein zentrales Thema: Die Siedler und die Schaffung eines palästinensischen Staates.

Aber zu Lebzeiten Rabins war das, was im Untertitel der Biografie über den früheren israelischen Ministerpräsidenten angekündigt wird, tatsächlich eine Option: "Als Frieden noch möglich schien."

Nach der Ermordung des Politikers Rabin durch den israelischen Extremisten Jigal Amir am 4. November 1995 gewann Benjamin Netanjahu die darauffolgende Wahl und wurde zum ersten Mal Regierungschef - ein Amt, das der Politiker des rechtsnationalen Likud mit Unterbrechungen inzwischen zwölf Jahre lang innehat, und um das er noch einmal kämpft.

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Bei dieser Wahl tritt auch eine Partei an, die Amirs Frau gegründet hat. Larissa Trimbobler-Amir fordert ein erneutes Verfahren für ihren Mann, der eine lebenslange Haftstrafe verbüßt, und nannte die Partei "Fairer Prozess". Nach der Ermordung Rabins und nach der Wahl Netanjahus "begann Israel, sich mit großen Schritten von Rabins Weg zu entfernen", schreibt der Biograf Itamar Rabinovich.

Der Autor war unter Rabin israelischer Botschafter in Washington und an Friedensverhandlungen mit Syrien beteiligt, die Israel und die USA damals als vielversprechender einschätzten als den parallel begonnenen Oslo-Friedensprozess, der schließlich 1993 zu einem aufsehenerregenden Abkommen, aber nie zu einem Abschluss führte.

Diese persönliche Beteiligung des Autors an Verhandlungen ermöglicht interessante Einblicke. Rabinovich, der Präsident der Universität Tel Aviv war, Nahost-Geschichte lehrte und nun das renommierte Israel Institute leitet, gelingt es, Anekdoten aus Rabins Leben mit nüchternen Analysen eines Wissenschaftlers zu vereinen.

Er verklärt Rabin nicht, wie es viele seiner Anhänger tun, sondern beschreibt anschaulich seine Wandlung vom radikalen Untergrundkämpfer in Palästina zum Soldaten und schließlich vom Diplomaten zum Politiker.

Der Autor zeichnet nicht nur ein sympathisches Bild und schildert die negativen Seiten seiner Persönlichkeit, wie Rabins jähzornigen Ausfälle und seine über Jahrzehnte sehr persönlich ausgetragenen Kämpfe mit Schimon Peres, seinem Rivalen in der Arbeitspartei.

Itamar Rabinovich: Jitzchak Rabin. Als Frieden noch möglich schien. Eine Biographie. Aus dem Englischen von Heide Lutosch. Mit einem Vorwort von Michael Brenner. Wallstein-Verlag, Göttingen 2019. 307 Seiten, 24,90 Euro (Foto: N/A)

"Das prägendste Erlebnis in Rabins Leben" war nach Einschätzung seines Biografen der Kampf um die Unabhängigkeit des 1948 ausgerufenen Staates Israel, die Rabin als Anführer der paramilitärischen Palmach erlebte.

Danach war Rabin, trotz Differenzen mit Staatsgründer David Ben-Gurion, am Aufbau der Armee beteiligt. 1967 war Rabin als Generalstabschef der Armee für einen präventiven Krieg und setzte sich gegen den zögerlichen Ministerpräsidenten Levi Eschkol durch.

Im Sechstagekrieg eroberte Israel unter anderem die Golanhöhen, das Westjordanland und Ostjerusalem - Gebiete, die noch heute im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stehen. "Aus dem Rückblick erscheint der Triumph als sehr zweifelhafter Segen", schreibt Rabinovich.

Die Siedlerbewegung nannte Rabin ein "Krebsgeschwür"

Die israelischen Siedler, die damals begannen, sich im besetzten Westjordanland festzusetzen, bezeichnete Rabin 1976 als "eine der größten Bedrohungen für den Staat Israel. Das ist keine Siedlerbewegung, das ist ein Krebsgeschwür im sozialen und demokratischen Gewebe Israels, eine Gruppierung, die das Gesetz in die eigenen Hände nimmt."

Diese Einschätzung erwies sich als richtig, die Siedlerbewegung errichtete illegal Außenposten im besetzten Westjordanland, die aber nach und nach legalisiert wurden. Inzwischen leben rund 500 000 Israelis in 120 Siedlungen und zwei Millionen Palästinenser im Westjordanland. Es dauerte bis in die Neunzigerjahre, ehe Rabin die PLO und damit Jassir Arafat offiziell als Gesprächspartner anerkannte.

Als Verteidigungsminister ließ er den 1987 ausgebrochenen Aufstand der Palästinenser, die erste Intifada, brutal niederschlagen. Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger beschrieb Rabin so: "Jitzchak war kein Blumenkind."

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Aber schließlich reifte in Rabin die Einsicht, dass Israel aus strategischen Gründen Frieden mit den Palästinensern suchen müsse. Rabin sei es immer um Israels Sicherheitsinteressen gegangen, schreibt sein Biograf, diese seien "untrennbar verknüpft mit dem Streben nach Frieden". Rabin war zu schmerzhaften Zugeständnissen an die Araber bereit, auch um internationale Legitimität zu erlangen und die Staatsgrenzen Israels abzustecken, was bis heute nicht endgültig geschehen ist.

Rabin führte auch 1994 den Friedensvertrag mit Jordanien herbei. Der Biograf weist darauf hin, dass in Rabins erster Amtszeit als Ministerpräsident die Vorarbeiten für den dann 1979 unter Menachem Begin mit Ägypten abgeschlossen Friedensvertrag geleistet worden seien.

Sein militärischer Hintergrund verschaffte Rabin im eigenen Land Glaubwürdigkeit und Autorität. Nicht nur nach Einschätzung seines Biografen war Rabin kein charismatischer Anführer, aber er hat sich zum Staatsmann entwickelt durch seine Fähigkeit, eine Vision zu entwerfen und zu verfolgen.

Der Autor gibt Netanjahu indirekt eine Mitschuld an Rabins Tod

Das wird auch Benny Gantz zugetraut, dem Führer des blau-weißen Bündnisses, das die Wahl im vergangenen September gewonnen hat, aber anschließend keine Koalition zustande brachte. Der Herausforderer von Netanjahu war wie Rabin Generalstabschef der Armee und wird häufig mit ihm verglichen.

Wie Rabin will auch Gantz nicht das gesamte Westjordanland den Palästinensern überlassen, sondern ebenfalls das Jordantal aus strategischen Gründen weiter kontrollieren. Auch Rabin wollte den Großteil Jerusalems als Teil Israels behalten.

Dem Politiker Netanjahu gibt der Autor indirekt eine Mitschuld an Rabins Tod, er habe sich zu dieser Zeit von Mordaufrufen und Hetze nicht offen distanziert und diese salonfähig gemacht. Den Unterschied zwischen Rabin und Netanjahu beschriebt Rabinovich so: Rabin habe eine Politik gemacht, damit Israel nicht für immer mit dem Schwert leben müsse.

Netanjahu habe dagegen am 20. Jahrestag der Ermordung Rabins erklärt: "Wir werden für immer mit dem Schwert leben." Diese Biografie erweist sich als Schlüssel zum besseren Verständnis von Israels Politik heute.

© SZ vom 02.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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