Jerusalem:Verstimmte Wächter des Heiligtums

Jerusalem: Ein häufiges Bild in Jerusalem: Krawall vor der Al-Aqsa-Moschee.

Ein häufiges Bild in Jerusalem: Krawall vor der Al-Aqsa-Moschee.

(Foto: Ahmad Gharabli/AFP)

Juden sollen am Tempelberg beten dürfen. Jordanien, das den Ort bewacht, weist dies zurück.

Von Alexandra Föderl-Schmid und Dunja Ramadan, Tel Aviv/München

Die gewaltsamen Zusammenstöße vor der Al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem haben dem israelisch-jordanischen Verhältnis nachhaltig geschadet. Zu Beginn des islamischen Opferfests Eid al-Adha am 11. August war es dort zu Unruhen zwischen Muslimen und der israelischen Polizei gekommen. In diesem Jahr fiel das Opferfest mit dem jüdischen Fasten- und Trauertag Tischa Be'Av zusammen, an dem unter anderem der Zerstörung der beiden jüdischen Tempel gedacht wird. Israels Sicherheitskräfte ließen zu, dass 1729 Juden den Tempelberg betreten durften - eine Rekordzahl. Und für die Muslime eine Provokation am höchsten islamischen Feiertag.

Das jordanische Außenministerium bestellte Anfang der Woche den israelischen Botschafter Amir Weissbrod ein - und ließ mitteilen: Das 4,4 Hektar große Areal sei ausschließlich für das Gebet von Muslimen bestimmt. Damit bezog sich das Ministerium auf die Aussage von Gilad Erdan, Israels Minister für öffentliche Sicherheit. Erdan hatte gefordert, dass auch Juden auf dem Tempelberg beten dürften. Der Politiker des rechtsnationalen Likud bezeichnete den Status-quo als "Ungerechtigkeit, die seit 1967 existiert".

Nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 und der Ostjerusalems durch Jordanien sieht eine Vereinbarung vor, dass Nicht-Muslimen zwar der Besuch auf dem Tempelberg gestattet ist, aber nicht zum Beten. Jordaniens Außenminister Said Losi kritisierte Israels Verhalten als Provokation und als "klare Verletzung" internationalen Rechts. Er rief Israel dazu auf, Versuche einzustellen, den historischen und rechtlichen Status Jerusalems zu verändern.

Die Geschichte des Ortes reicht buchstäblich zurück bis Adam und Eva

Am Montag verabschiedeten jordanische Abgeordnete eine Resolution, in der sie ihre Regierung aufforderten, den Friedensvertrag mit Israel zu "überprüfen". Der israelisch-jordanische Friedensvertrag wurde am 26. Oktober 1994 von König Hussein, vom israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin und von US-Präsident Bill Clinton unterzeichnet. Außer mit Jordanien hat Israel noch mit Ägypten einen Friedensvertrag. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Atef al-Tarawneh, forderte die Regierung auf, Israel darüber zu informieren, dass der Friedensvertrag in Gefahr sei.

Für Jordaniens König Abdullah II. eine weitere Zerreißprobe. Bereits Ende vergangenen Jahres hatte der Druck der jordanischen Abgeordneten bewirkt, dass der König jenen Passus des Friedensvertrags aufgekündigt hat, der Israelis die Nutzung einer 80 Hektar großen Halbinsel und eines weiteren Landstücks in der Arava-Wüste erlaubte. Im Oktober, zum 25. Jahrestag, soll die Aufkündigung der Nutzungsrechte in Kraft treten. Die israelfreundliche Politik von US-Präsident Donald Trump wird in Amman genaustens beobachtet. Die Verantwortlichen in Amman fürchten, dass Trump ihnen Kompetenzen wegnehmen könnte, wenn er den politischen Teil seines Nahostfriedensplans vorstellt.

Einerseits ist das rohstoffarme Land auf milliardenschwere US-Hilfen angewiesen, andererseits hat etwa die Hälfte der zehn Millionen Jordanier palästinensische Wurzeln. Spannungen auf dem Tempelberg haben unmittelbare Auswirkungen auf die Stimmung im Land. Für Freitag riefen jordanische Abgeordnete dazu auf, die Allenby-Brücke, zentraler Grenzübergang zwischen beiden Ländern, zu besetzen.

Bislang lehnt Jordanien jeden Versuch ab, den historischen und rechtlichen Status an den heiligen Orten zu verändern. Im Friedensvertrag von 1994 hat Israel den Status von Jordanien als Wächter des Tempelbergs anerkannt, zuständig ist die islamische Waqf-Stiftung.

Die Al-Aqsa-Moschee ist nach Mekka und Medina das drittwichtigste Heiligtum des Islam. Der Tempelberg ist für Juden, Muslime und Christen eine wichtige Heilige Stätte. Bis zur Zerstörung durch die Römer im Jahr 70 befand sich an dieser Stelle der jüdische Tempel als zentrales Heiligtum Israels. Viele Überlieferungen wie die Erschaffung Adams und Evas, das Opfer Isaaks oder die Himmelsreise Mohammeds sind mit dem Ort verbunden.

Der jetzige israelische Botschaft Weissbrod war 2018 nach Jordanien gekommen und hatte eine neunmonatige diplomatische Eiszeit zwischen den beiden Ländern beendet. Im Juli 2017 hatte der Wachmann der israelischen Botschaft zwei Jordanier erschossen und war nach Israel zurückgekehrt. Eine Befragung des Wachmanns durch jordanische Behörden lehnte Israel unter Berufung auf seine diplomatische Immunität ab und berief sich auf Selbstverteidigung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: