Süddeutsche Zeitung

Jerusalem-Konflikt:Für Netanjahu kommt Trumps Coup zur rechten Zeit

Israels Premier kann sich als genialer Einflüsterer Washingtons präsentieren, der erreicht hat, worauf sein Staat seit 70 Jahren hinarbeitet. Aber auch die Hamas profitiert von alten Feindbildern.

Kommentar von Alexandra Föderl-Schmid, Jerusalem

Es ist eine krude Logik, die sich US-Präsident Donald Trump zu eigen macht: Jerusalem müsse als Hauptstadt anerkannt werden, um den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern voranzubringen. Die Anerkennung ist ein Schritt mit weitreichenden politischen Konsequenzen, nicht nur ein symbolischer Akt. Er beendet Verhandlungen, noch ehe sie begonnen haben.

Der Triumph war dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu anzusehen, als er sich nach Trumps Rede mit blumigen Worten bedankte. Für ihn kommt dieser Coup zur rechten Zeit. Am Samstag noch hatten Zehntausende Israelis in einem "Marsch der Schande" gegen den in Korruptionsaffären verstrickten Regierungschef protestiert. Die aktuellen Ereignisse führen dazu, dass die Korruption aus den Schlagzeilen verdrängt wird. Die nächste Protestaktion wird kaum noch Aufmerksamkeit finden.

Netanjahu kann sich als genialer Einflüsterer präsentieren, der in Washington das erreicht hat, worauf Israel seit der Staatsgründung vor 70 Jahren hinarbeitete: Jerusalem wird als Hauptstadt anerkannt. Zwar meinte sogar Trump, das weitere Schicksal der Stadt solle Gegenstand von israelisch-palästinensischen Verhandlungen sein, aber diese Einschränkung geht im Jubel unter, der in den USA nicht weniger frenetisch ausfällt als in Israel.

Megadeal zwischen Israel und den arabischen Staaten

Im krassen Kontrast dazu steht die müde abgelesene Erklärung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Zwar könnten sich die Palästinenser darüber freuen, dass Trump erstmals eine Zwei-Staaten-Lösung angesprochen hat. Sie selbst aber sprechen den USA nun die Vermittlerrolle ab und zeigen damit, dass sie dem Projekt wenig Chancen auf Realisierung geben. Selbst die arabischen Staaten scheinen dieses Dauerthemas überdrüssig geworden zu sein. Allerdings können sie die Symbolkraft Jerusalem nicht ignorieren. Dort steht die drittwichtigste Moschee im Islam, damit ist die Anerkennung auch ihre Angelegenheit.

Insbesondere die jüngere Führungsriege in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sieht in Israel nicht mehr ihren großen Gegner. Geheimdienstkontakte zwischen Israelis und Saudis gibt es inzwischen - dank amerikanischer Vermittlung. Araber und Israel eint der gemeinsame Feind Iran. Dass Israel schon mehr als hundert Militärschläge im Syrien geführt hat, erfreut die Saudis. Ihnen bleibt die direkte Einmischung im Kampf gegen die Hisbollah erspart.

Solange also Trump und seinen Freunden am Golf die große strategische Allianz zwischen Arabern und Israelis wichtiger ist, verliert das Schicksal der Palästinenser an Bedeutung. Statt des großen Deals zwischen Israelis und Palästinensern gibt es dann eben einen Megadeal zwischen Israel und den arabischen Staaten.

Die Hamas kann von den Problemen im Gazastreifen ablenken

Die palästinensische Führung, die von Trumps Entscheidung überrascht worden war, reagierte defensiv. Zwar wurden "Tage des Zorns" ausgerufen, aber gleich mit der Bitte verbunden, der Zorn möge sich "unbewaffnet" und ohne Gewaltexzesse präsentieren.

Für die radikalislamistische Hamas bietet Trump auch einen willkommenen Vorwand, um von den Problemen im Gazastreifen abzulenken. Sie mag zur Intifada aufrufen - und für die Folgen die äußeren Feinde verantwortlich machen. Die Übergabe der Macht im Gazastreifen belegt indes, dass die Hamas die Verantwortung für die Versorgung der rund zwei Millionen Menschen gar nicht tragen kann. Nun hat sie eine Begründung gefunden, warum sie weiterhin nicht die Waffen abgeben will.

Bleibt die Lage also halbwegs unter Kontrolle, könnten alle Seiten davon ein bisschen profitieren. Probleme gibt es genug, von denen es abzulenken lohnt.

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SZ vom 08.12.2017/ees
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