Süddeutsche Zeitung

Jerusalem:Israel beschließt Wehrpflicht für Orthodoxe

Historische Entscheidung in der Knesset: Das israelische Parlament beschließt die Einführung der Wehrpflicht auch für ultraorthodoxe Männer. Im Vorfeld der Entscheidung waren die Ultraorthodoxen zu Hunderttausenden auf die Straße gegangen.

Seit der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 sind ultraorthodoxe Männer, die sich in Vollzeit dem Bibelstudium widmen, von der Wehrpflicht ausgenommen. Das soll sich nun ändern: In einer historischen Entscheidung beschließt das israelische Parlament die schrittweise Einführung der Wehrpflicht für die Strenggläubigen. Auch ultraorthodoxe Juden müssen künftig Militärdienst oder zivilen Ersatzdienst leisten.

In Israel wird seit Jahrzehnten über die Frage gestritten, ob junge jüdische Männer, die sich ganz dem Bibelstudium widmen wollen, zur Armee müssen. Über dem Streit sind schon Regierungskoalitionen zerbrochen. Die vor einem Jahr gebildete Mitte-rechts-Koalition, der erstmals seit langem keine ultraorthodoxen Parteien angehören, ändert nun die Rechtslage. Und das bei nur einer Gegenstimme.

Allerdings hatten die 52 Abgeordneten der acht Oppositionsparteien die Abstimmung geschlossen boykottiert. Sie protestierten damit gegen die Entscheidung der vier Regierungsfraktionen, die Verabschiedung von drei wichtigen Gesetzesvorhaben miteinander zu verknüpfen und dafür einen Zeitrahmen von drei Tagen zu setzen.

Nach dem neuen Gesetz müssen die Ultraorthodoxen nun von 2017 an eine Mindestanzahl junger Rekruten stellen. Gegenwärtig dienen in Israel junge Männer drei Jahre und junge Frauen zwei Jahre lang beim Militär. Diese Dienstzeiten sollen im Zuge der Reformen um jeweils mehrere Monate gesenkt werden.

Die künftige Ausweitung der Wehrpflicht gilt auch als große Sozialreform, die mittelfristig den fast 800.000 Ultraorthodoxen, der Volkswirtschaft und der Entlastung der öffentlichen Haushalte Israels helfen soll. Eine Mehrheit der Israelis forderte diese Maßnahme, um die gesellschaftlichen Lasten gleichmäßiger zu verteilen.

Dass Religionsschüler, die ihre Einberufung weiter verweigern, künftig mit Gefängnis bestraft werden können, hatte allerdings starke Proteste der betroffenen Glaubensgemeinschaften ausgelöst. Anfang März gingen in Jerusalem 300.000 Ultraorthodoxe gegen die Reform auf die Straße.

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