Jens Spahn:Der Blitz-Heiler

Bundesgesundheitsminister Spahn stellt drei Gesetzentwürfe vor

Bloß keinen Stillstand: Jens Spahn präsentiert fast im Wochentakt Vorschläge und Gesetzesvorstöße - auch wenn manche nicht realisiert werden.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

"Er schafft eine Menge weg:" So lobte die Kanzlerin ihren Gesundheitsminister. Und Spahn präsentiert tatsächlich eine Reform nach der anderen. Aber taugen seine Projekte auch etwas?

Von Kristiana Ludwig, Berlin

In einer Woche im Juli, da ist Jens Spahn eigentlich schon Verteidigungsminister. Kurz bevor Kanzlerin Angela Merkel die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer zum neuen Kabinettsmitglied macht, ist es Spahn, der die Schlagzeilen dominiert. Viele im CDU-Vorstand waren davon ausgegangen, dass es der Gesundheitsminister ist, für den der nächste Karrieresprung ansteht - auch wegen seines Fleißes im Amt. Merkel drückt es in ihrer Sommerpressekonferenz so aus: "Er schafft eine Menge weg."

Seit er Minister ist, vergeht kaum eine Woche ohne einen neuen Vorschlag oder einen Gesetzentwurf von Spahn. Er sagt, er wolle den Bürgern schneller einen Termin beim Arzt verschaffen, ihre Kinder vor Masern schützen, die überfüllten Notaufnahmen der Krankenhäuser leeren und den Patienten helfen, die auf eine Organspende warten oder ihre teure Therapie nicht von der Kasse bezahlt bekommen. Mit Spahns Hilfe sollen die Menschen bald ihre Patientenakten auf dem Smartphone lesen können, und am besten sollte auch noch ihr Krankenkassenbeitrag sinken, damit sie ein wenig mehr vom Gehalt übrig haben. Dieser warme Regen der angekündigten Wohltaten zeigt Wirkung. Im Juni war Jens Spahn laut ZDF-Politbarometer erstmals in die Top Ten der beliebtesten Politiker aufgestiegen.

Nach eineinhalb Jahren im Gesundheitsministerium hat sich Spahn ein Image als Macher erarbeitet, als einer, der nicht lange fackelt und auch die schwierigen Themen anpackt. Selbst die Funktionäre im Gesundheitswesen, die oft alles andere als begeistert sind von dem machtbewussten Minister, der gern die Aufgaben an sich zieht und bis ins kleinste Detail mitreden möchte, müssen ihm zugestehen, dass es mit ihm immerhin vorangeht.

Die Gesetze, die Spahn macht, setzen oftmals Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag um. Spahn reagiert aber auch zügig auf aktuelle Entwicklungen. Nach zwei Medikamentenskandalen um die Firma Lunapharm und den Blutdrucksenker Valsartan brachte er ein Gesetz zur Arzneimittelsicherheit auf den Weg, auch auf Berichte über kriminelle Pflegedienste folgte ein Entwurf. Selbst eine Facebook-Debatte um Fettabsaugungen bei Frauen mit Lipödem inspirierte den Minister zu neuen Regeln. Spahn will zeigen: Er sieht die Probleme und reagiert.

Nur ob seine Vorschläge wirklich etwas verbessern, wird sich erst zeigen müssen.

Am Jahresanfang versprach Spahn 13 000 neue Stellen in der Pflege. Bis jetzt sind es erst 300

Interessant ist, dass Spahn inhaltliche Rückschläge in der öffentlichen Debatte kaum belasten. Während sich andere Politiker im Kampf um einzelne Vorschläge verhaken, perlen Niederlagen an Spahn ab. Seine Methode ist ein rhetorischer Trick. In fast jeder Rede betont er, dass er seine Vorschläge schließlich nur zur Diskussion stelle. Irgendwo, sagt er gern, müsse man ja mal anfangen, und wie genau das Gesetz am Ende aussieht, darüber könne man noch reden. In der medialen Wahrnehmung fällt es auf diese Weise auch nicht auf ihn zurück, wenn ganze Reformen wieder aus seinen Gesetzentwürfen gestrichen werden, weil der Gegenwind zu groß war. Spahns Argument zieht immer: besser als Stillstand, besser als nichts.

Ein Beispiel für diese Taktik ist die von der Kanzlerin gelobte elektronische Gesundheitskarte. "Dankbar" sei sie gewesen, dass Spahn bei diesem Endlosprojekt "jetzt einmal durchgegriffen hat", sagte sie. Tatsächlich ist der Minister mit seinem Digitalgesetz kürzlich auf erheblichen Widerstand aus dem Justizministerium gestoßen. Der Datenschutz sei für die sensiblen Krankenakten unzureichend, bemängelte das Ressort Mitte Juni. Spahn musste die elektronische Patientenakte wieder aus dem Gesetz streichen. Doch hämische Kommentare blieben aus. Denn Spahn kündigte im selben Atemzug ein neues "Datenschutzgesetz" an. Die Gesetzesvorhaben seien lediglich "getrennt" worden, heißt es aus Regierungskreisen. Im ersten Schritt kämen jetzt trotzdem die versprochenen Gesundheits-Apps auf Kasse, heißt es auf der Ministeriumswebseite. Also: besser als nichts.

Und besser auch, so sieht es wohl Spahn, als die Leistung seiner Amtsvorgänger in Sachen Digitalisierung. Hermann Gröhe (CDU) oder Ulla Schmidt (SPD) sitzen am Donnerstag in einem Besprechungsraum mit Blick auf die Reichstagskuppel und sprechen über Organspenden - und über das Regieren. "Ein Gesetz zu machen, ist das eine", sagt Schmidt, "die Frage, wie es umgesetzt wird, das andere." Ihr 39-jähriger Nachfolger, das klingt durch, scheint den beiden etwas zu forsch zu sein mit der Produktion neuer Regelwerke. Regieren, sagt Gröhe, sei "beharrliches Arbeiten", "kein Schalter-Umlegen".

Gröhe hat einen Punkt. Änderungen im Gesundheitswesen zeigen oft sehr langsam ihre Wirkung. Beim Pflege-Sofortprogramm, zum Beispiel, versprach Spahn Anfang des Jahres 13 000 neue Stellen. Doch bis Mitte Juli sind nach Angaben der Krankenkassen bundesweit weniger als 300 neue Pfleger eingestellt worden. Grund dafür sind der Mangel an Fachkräften und bürokratische Hürden. Ob sich das Gesundheitswesen unter Jens Spahn am Ende wirklich verbessert hat und wie viel seine Reformen die Kassenpatienten kosten, das wird sich erst in ein paar Jahren zeigen. Dem ehrgeizigen Spahn dürfte das nicht so wichtig sein.

Denn dann ist er vielleicht schon weitergezogen.

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