Gesundheitspolitik und Corona:Spahn will dauerhaft Sonderrechte

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Das Gesundheitsministerium könnte nach dem Gesetzesentwurf Bahn oder Fluggesellschaften verbieten, Menschen aus Risikogebieten zu transportieren. (Foto: imago images/photothek)

Jens Spahn plant ein Gesetz, das seinem Gesundheitsministerium im Fall einer "epidemischen Lage von nationaler Tragweite" umfangreiche Eingriffe erlauben soll. Der Entwurf wird scharf kritisiert.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will mit einem dritten "Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" einige der Sonderrechte, die er seinem Ministerium wegen der Corona-Krise eingeräumt hat, dauerhaft beibehalten. Das geht aus einem Entwurf hervor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. "Aufgrund neuerer Erkenntnisse über Covid-19 und in Kürze möglich erscheinender Impfprogramme" sei diese Ausweitung nötig geworden, heißt es darin. Eigentlich würden die aktuellen Befugnisse des Gesundheitsministeriums Ende März auslaufen - oder beendet, wenn der Bundestag ein Ende der "epidemischen Lage von nationaler Tragweite" beschließt. Allerdings sieht es danach derzeit nicht aus.

Dem Entwurf zufolge soll Spahn nun ermächtigt werden, in Zukunft bereits dann Verordnungen zu erlassen, "wenn dies zum Schutz der Bevölkerung vor einer Gefährdung durch schwerwiegende übertragbare Krankheiten erforderlich ist". Dies könnte etwa bedeuten, dass Menschen, die aus Risikogebieten nach Deutschland einreisen, zu umfangreichen persönlichen Auskünften verpflichtet werden. Das Gesundheitsministerium könnte aber auch Bahn-, Bus-, Schiffs- oder Flugunternehmen verbieten, Menschen aus Risikogebieten zu transportieren. Möglich wäre unter anderem auch, die Unternehmen zu verpflichten, dass sie den Behörden kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Passagiere melden. Der Bundestag, heißt es in dem Entwurf, könne solche eiligen Anordnungen allerdings wieder aufheben. Welche ansteckenden Erkrankungen künftig als "schwerwiegend" gelten sollten, dazu gab das Ministerium auf Nachfrage zunächst keine Antwort.

Die grüne Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche nannte den Gesetzentwurf "in Teilen vollkommen aus der Zeit gefallen". Mit ihm wolle "Spahn die rechtsstaatlich bedenklichen Verordnungsermächtigungen über die Pandemie hinaus festschreiben. Es scheint, als hätte Spahn die erhebliche Kritik von Verfassungsrechtlern nicht mitbekommen". Die FDP hatte bereits im September verlangt, die Sonderrechte des Ministers durch die "epidemische Notlage" wieder aufzuheben. Die Regierungskoalition, Grüne und Linke waren damals anderer Meinung.

Das Gesetz würde bei schweren Ansteckungskrankheiten eilige Anordnungen erlauben

Aus dem Gesundheitswesen wird noch eine andere Kritik an Spahns Plänen laut. Das neue Bevölkerungsschutzgesetz beinhaltet nämlich, dass künftig Geld aus den gesetzlichen Krankenversicherungen genutzt werden kann, um die Menschen mit Tests und Impfungen zu versorgen, die selbst nicht gesetzlich versichert sind. Die Barmer-Krankenkasse bemängelt in einer Stellungnahme, dass auf diese Weise private Versicherungen nicht beteiligt würden. Zudem müssten Kosten "der Gefahrenabwehr" aus Steuermitteln finanziert werden und nicht von Beitragszahlern, beschwert sich die Krankenkasse.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung fordert ebenfalls, dass Privatversicherte auch in Zukunft die Kosten für ihre eigenen Tests und Impfungen übernehmen sollen. Schulz-Asche von den Grünen nennt den Vorschlag "ungerecht und angesichts der dramatischen finanziellen Situation der gesetzlichen Krankenversicherungen auch unverantwortlich". Lediglich der deutsche Caritasverband begrüßt die Idee: Wohnungslose, Menschen ohne festen Aufenthaltsstatus und in der Illegalität könnten profitieren, sofern dies auch rechtlich klargestellt werde.

© SZ vom 19.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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