Corona-Kosten:Bundesrechnungshof wirft Spahn Geldverschwendung vor

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Spahns Ministerium sei gleich in drei Bereichen sehr großzügig gewesen, bemängelt der Bundesrechnungshof. (Foto: Christian Spicker/imago images)

Teure Masken, Hilfen für die Kliniken, neue Intensivbetten: Prüfer sprechen von "Unterstützungsleistungen nach dem Gießkannenprinzip".

Von Markus Grill und Klaus Ott, Berlin

Über mangelnde Kritik kann Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nicht klagen. Nach Schnelltest-Debakel und Impfstoff-Problemen erhebt nun auch der Bundesrechnungshof (BRH) in einem 42-seitigen Prüfbericht Vorwürfe gegen Spahns Ministerium. Sie lassen sich in einem Wort zusammenfassen: Geldverschwendung. Das Ministerium sei dabei gleich in drei Bereichen sehr großzügig gewesen: Bei der Schutzmaskenausgabe über Apotheken, der Unterstützung von Kliniken und der Schaffung neuer Intensivbetten. Der Prüfbericht liegt der Süddeutschen Zeitung, NDR und WDR vor.

Seit vergangenem Herbst hatte der Bund über die Apotheken Corona-Schutzmasken an besonders vulnerable Personengruppen kostenlos abgegeben. Die Apotheken bekamen dabei anfangs sechs Euro pro Maske vom Bund erstattet, später noch 3,90 Euro - was der BRH für jeweils völlig überzogen hält. Die Prüfer schreiben, das Gesundheitsministerium habe bis heute "keine nachvollziehbare Begründung" vorgelegt, wie die Kostenerstattung für die Apotheken festgelegt worden sei. Bei den sechs Euro habe das Ministerium sich darauf berufen, dass eine Analyse von Anfang Oktober einen Marktpreis von 5,11 Euro pro Maske ergeben habe. Aus einer aktuelleren Preisanalyse des Ministeriums von Ende November 2020 sei indes hervorgegangen, dass damals zertifizierte Schutzmasken gegen das Coronavirus "zu einem durchschnittlichen Preis von 1,62 Euro erhältlich waren".

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Der Rechnungshof bezieht sich dabei auf den Großhandel, bei dem sich die Apotheken mit Masken eindecken würden. Die sechs Euro pro Maske seien deshalb eine "deutliche Überkompensation zu Gunsten der Apotheken" gewesen. Mit anderen Worten: Der BRH ist der Auffassung, dass Spahn Geldgeschenke an die Apotheken verteilt hat. Das gilt aus Sicht der Rechnungsprüfer auch für den vom Ministerium ab Februar 2021 auf 3,90 Euro pro Maske gesenkten Erstattungsbetrag.

Die Prüfer schreiben weiter, dass das Ministerium selbst auf einen Rückgang des durchschnittlichen Großhandelspreises von 1,62 Euro im Herbst auf 40 bis 80 Cent pro Maske im Februar verwiesen habe. Auch hier seien die Kosten der Apotheken für die Maskenbeschaffung und -verteilung "erheblich überkompensiert" worden. Insgesamt flossen bei der Maskenaktion demnach 2,1 Milliarden Euro an die Apotheken - das heißt, jede Apotheke in Deutschland bekam im Schnitt mehr als 100 000 Euro. Der Rechnungshof fordert deshalb vom Ministerium, "bei künftigen Maßnahmen zu Lasten der Steuerzahler stärker auf eine ordnungsgemäße und wirtschaftliche Mittelverwendung zu achten". Dazu gehöre auch, die Bundesländer bei der Finanzierung von Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsschutzes grundsätzlich zu beteiligen.

Der Rechnungshofbericht zitiert auch die Stellungnahme des Gesundheitsministeriums zu den kritisierten Zahlen. Das beruft sich im Fall der Maskenabgabe über die Apotheker auf die kurze Zeitspanne von "nur vier Wochen" zur Umsetzung und ihrer "Markterhebung" bezüglich des Preises von sechs Euro.

"Unterstützungsleistungen nach dem Gießkannenprinzip"

Außerdem bewertet der Bundesrechnungshof in seinem Bericht die Zahlungen an die Krankenhäuser und speziell die Anreize für die Schaffung neuer Intensivbetten - und findet auch hier Anlass zur Kritik. Für die Behandlung von Patientinnen und Patienten hatten die Kliniken im Jahr 2020 schon von den gesetzlichen Krankenkassen 1,3 Milliarden Euro mehr als im Jahr zuvor bekommen, obwohl die Betten um knapp acht Prozent weniger ausgelastet gewesen seien als 2019.

Zusätzlich erhielten die Kliniken 10,2 Milliarden Euro aus Steuermitteln als Ausgleich für wegen der Pandemie verschobene oder ausgesetzte Eingriffe. Mehr Geld von den Kassen und mehr Geld vom Bund: Auch das stellt für den Bundesrechnungshof eine massive Überkompensation für Krankenhäuser im Jahr 2020 aus Steuermitteln dar. Außerdem mahnen die Prüfer an, dass "Unterstützungsleistungen nach dem Gießkannenprinzip" künftig vermieden werden sollten. Das Ministerium räumt in diesem Punkt immerhin ein, von März bis Juli 2020 zu viel Geld ausgegeben zu haben.

Seit November erhalten Kliniken allerdings nur noch Ausgleichszahlungen, wenn die freien Intensivbetten in der Region weniger als 25 Prozent betragen, die Auslastung also sehr hoch ist. Hierin sieht der Rechnungshof einen gefährlichen Fehlanreiz, die Zahl der freien Intensivbetten künstlich nach unten zu rechnen. Der Bericht zitiert in diesem Zusammenhang ein brisantes Schreiben des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 11. Januar dieses Jahres ans Gesundheitsministerium. Dabei äußerte das RKI die "Vermutung, dass Krankenhäuser zum Teil weniger intensivmedizinische Behandlungsplätze meldeten, als tatsächlich vorhanden waren".

Nach Ansicht des RKI seien die ans DIVI-Zentralregister gemeldeten Daten "daher nicht mehr für eine Bewertung der Situation geeignet", schreibt der Rechnungshof. Im Klartext heißt das: Die Anzahl der freien Intensivbetten könnte tatsächlich höher gewesen sein als ausgewiesen. Die Auslastung der Intensivstationen war (und ist) aber neben den Inzidenzwerten ein maßgebliches Kriterium der Bundesregierung für das Ausmaß der Corona-Einschränkungen.

In einem dritten Punkt analysiert der Bericht speziell die Schaffung neuer Intensivbetten. Von März bis September 2020 habe der Bund jedes neue Intensivbett mit 50 000 Euro zusätzlich finanziert. Insgesamt wurden von den Krankenhäusern dafür knapp 700 Millionen Euro abgerufen. Teilt man die Summe durch den Zuschuss pro Bett, müsste es jetzt 13 700 neue Intensivbetten in Deutschland geben - doch die kann der Rechnungshof nicht finden. "Ein solcher Kapazitätszuwachs ist aus den vorliegenden Statistiken indes nicht abzulesen", schreiben die Prüfer. Das Haus von Minister Spahn rechtfertigt sich damit, dass für Intensivbetten "bis Frühjahr 2020 keine einheitliche Definition existiert" habe.

Die Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz, die als Obfrau der Grünen im Rechnungsprüfungsausschuss den Bericht bereits lesen konnte, wundert sich: "Es ist befremdend, wie ein ehemaliger Staatssekretär im Finanzministerium so großzügig und planlos mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger umgeht." Der ehemalige Staatssekretär, den sie meint, ist der heutige Gesundheitsminister Jens Spahn.

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