IS-Terror:Jennifer W. droht lebenslang

IS-Terror: Das Oberlandesgericht München hatte die glühende IS-Anhängerin Jennifer W. zu zehn Jahren Haft verurteilt. Dieses Urteil gilt nun nicht mehr.

Das Oberlandesgericht München hatte die glühende IS-Anhängerin Jennifer W. zu zehn Jahren Haft verurteilt. Dieses Urteil gilt nun nicht mehr.

(Foto: Peter Kneffel/DPA)

Der Bundesgerichtshof hebt die zehnjährige Haftstrafe gegen die Frau auf, die zusah, als ihr Mann ein Jesiden-Mädchen in der Sonne sterben ließ. Ihre Strafe muss neu verhandelt werden.

Von Annette Ramelsberger

Jennifer W. aus Niedersachsen war 23, als sie sich der Terrormiliz "Islamischer Staat" anschloss und in den Irak ging. Sie heiratete einen IS-Kämpfer und lebte im Sommer 2015 mit ihm in einem Haus in Falludscha, gemeinsam mit einer jesidischen Frau und deren kleiner Tochter. Ihr Mann hielt die beiden als Sklavinnen, das IS-Paar ließ sich von der Frau bedienen. Als das fünfjährige Mädchen quengelte und sich einnässte, packte der Mann das Kind und band es im Hof bei Temperaturen um die 50 Grad Celsius in der sengenden Sonne fest. Jennifer W. sah das, tat aber nichts dagegen. Sie brachte dann Wasser, aber da war es schon zu spät. Das Kind starb vermutlich an einem Hitzschlag.

Das Oberlandesgericht (OLG) München verurteilte Jennifer W. im Herbst 2021 zu zehn Jahren Haft. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) dieses Urteil aufgehoben und als rechtsfehlerhaft erkannt. Das Verfahren muss neu verhandelt werden. Und für Jennifer W. sieht es so aus, dass nun eine lebenslange Haftstrafe auf sie zukommen könnte. Denn der BGH hat vor allem die Einschätzung des Münchner Gerichts kritisiert, es handele sich hier um einen "minderschweren Fall". An dieser Kritik kommen auch die Richter, die nun entscheiden müssen, nicht vorbei.

Der BGH kritisiert die Einschätzung der Tat als "minderschweren Fall"

Das OLG hatte die Einschätzung als "minderschweren Fall" nur sehr kurz erklärt. Jennifer W. habe nicht selbst gehandelt, hieß es im Urteil. Sie habe bei einem Einschreiten gegen ihren Mann Konsequenzen von ihm befürchten müssen und sie habe nicht erkannt, dass ihr Eingreifen zu spät komme.

Das sieht der BGH völlig anders. Von einem "minderschweren Fall" könne nicht die Rede sein. Denn die verurteilte Frau habe gleich mehrere Straftaten begangen: die Versklavung mit Todesfolge, dazu die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und die Beihilfe zum Versuch des Mordes durch Unterlassen. Das wirke strafverschärfend.

Vor allem aber kritisierte der BGH, dass das Oberlandesgericht München die menschenverachtenden Beweggründe und Ziele der Angeklagten unberücksichtigt gelassen habe: Die Frau war glühende Verfechterin der IS-Ideologie. Sie trug auch in Deutschland Schleier vor dem Gesicht, sie wollte, nachdem sie zur Geburt ihrer eigenen Tochter nach Deutschland gekommen war, wieder zurück ins IS-Gebiet. Auf dem Transfer dorthin wurde sie festgenommen. Sie soll der trauernden Jesidin, die um ihr totes Kind weinte, eine Pistole an den Kopf gehalten und ihr gedroht haben, sie zu erschießen, wenn sie damit nicht aufhöre.

Jennifer W. sitzt in Hamburg in Haft. Von ihrem IS-Mann hat sie ein Kind

Die menschenverachtende Gesinnung sei in der Tat zum Ausdruck gekommen, erklärt nun der BGH. Die Menschenrechte der Jesiden seien vom IS negiert und ihre Menschenwürde verletzt worden. Die Angeklagte habe das Verbrechen des Völkermords an den Jesiden gebilligt genauso wie die Absicht des IS, die religiöse Gruppe auszulöschen.

Damit hat der BGH der Revision der Bundesanwaltschaft weitgehend stattgegeben. Die Revision der Verurteilten wurde verworfen. Die Frau sitzt mittlerweile in Hamburg in Haft. Sie hat selbst eine Tochter, aus der Ehe mit dem IS-Mann. Der wurde im November 2021 vor dem OLG Frankfurt zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. Nun könnte es auch seiner früheren Frau so ergehen.

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