Süddeutsche Zeitung

Jemens Friedensnobelpreisträgerin Tawakkul Karman:"Extremisten hassen mich"

Lesezeit: 2 min

Tawakkul Karman führt seit Monaten die Proteste gegen Jemens Dauerpräsidenten Salih an. Dafür hat das Nobelkomitee in Oslo sie mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Sie ist die erste Araberin, die den Preis erhält. Doch sie lebt gefährlich.

Frederik Obermaier

Tawakkul Karman ist eine Frau, die ihre Meinung sagt - doch das kann im Jemen schnell lebensgefährlich werden. Trotzdem wurde die 32-Jährige zu einem der führenden Köpfe des arabischen Frühlings. Dafür hat das norwegische Nobelkomitee in Oslo sie nun mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Karman teilt sich den Nobelpreis mit der liberianischen Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf und der liberianischen Aktivistin Leymah Gbowee. Die Frauen erhalten die Auszeichnung "für ihren gewaltfreien Kampf für die Sicherheit von Frauen und für die Rechte von Frauen für volle Teilnahme an friedensbildender Arbeit".

Karman leitete jahrelang die Nichtregierungsorganisation "Journalistinnen ohne Ketten", sie kämpfte für eine freie Presse und die Rechte der Frauen. Bereits das ist in einem Land wie dem Jemen schon mutig, wo die meisten Frauen sich nur vollständig verschleiert auf die Straße trauen.

Als die Demonstranten aber in Tunesien und Ägypten ihre Präsidenten stürzten, wurde die Mutter dreier Kinder zur Revoluzzerin. Schon seit mehreren Jahren hat sie regelmäßig Protestmärsche und Sit-ins organisiert, doch nun wurde sie zum Gesicht einer Massenbewegung. Zusammen mit Tausenden anderen Demonstranten campiert sie seit Monaten auf dem Universitätsplatz der Hauptstadt Sanaa. Sie will erst weichen, wenn sie ihr Ziel erreicht hat: Das Ende des Salih-Regimes, Demokratie statt einer Militärherrschaft.

Die Proteste gegen den Autokraten führt die Sprecherin der jemenitischen Jugendbewegung stets in vorderster Reihe an. Das Mikrofon in der Hand, ein meist buntes Tuch auf dem Kopf, fordert sie lautstark den Rücktritt des Mannes, der die Macht seit 33 Jahren nicht aus der Hand geben will. "Die Kombination von Diktatur, Korruption und Arbeitslosigkeit hat diese Revolution erschaffen", sagte Karman vor einigen Monaten dem Magazin Time.

"Eiserne Frau" nennen sie ihre Anhänger

Die Journalistin lebt gefährlich. Sie bekommt Morddrohungen per SMS, eine Frau stach sogar schon mit einem Dolch auf sie ein. Karman überlebte - und suchte mit ihrem Protest noch mehr die Öffentlichkeit. Die Vertreter des Regimes seien "eine Räuberbande", sagte sie im Juni der Süddeutschen Zeitung.

Dem Regime sind Karman und ihre markigen Sprüche schon lange lästig. Mehr als einmal wurde die kopftuchtragende Jeanne d'Arc festgenommen, immer wieder kam sie frei und forderte danach umso lauter den Rücktritt des autokratischen Präsidenten.

Karmans Vater war einst Justizminister unter Salih - jetzt wurde seine Tochter zu einer seiner lautesten Gegnerinnen. Salih versprach ihr sogar einen Posten in seinem Kabinett - nur um sie ruhigzustellen. Doch Karman ließ sich nicht kaufen. "Eiserne Frau" nennen sie deshalb ihre Anhänger. Im Online-Netzwerk Facebook gibt es bereits zahlreiche Fangruppen - eine davon heißt: "Tawakkol Karman for Yemeni President". Karman soll also die Nachfolgerin von Präsident Salih werden.

Die junge Frau ist schon seit langem Mitglied der islamischen Oppositionspartei Islah, doch auch von der will sie sich nicht vereinnahmen lassen - zum Ärger des erzkonservativen Parteiflügels. "Die Extremisten hassen mich. Sie sprechen in den Moscheen über mich und verteilten Flugblätter, die mich als unislamisch verurteilen."

Die Frauenrechtlerin selbst sieht die Demonstrationen im Jemen in einer Reihe mit den jüngsten Massenbewegungen in der arabischen Welt, die schon Zine al-Abidine Ben Ali, Hosni Mubarak und zuletzt Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi zu Fall brachten.

"Ich widme diesen Preis den Aktivisten des arabischen Frühlings", sagte Karman nach der Bekanntgabe des Nobelpreiskomitees dem in Dubai ansässigen Sender al-Arabija. Die Auszeichnung sei eine Ehre für alle Araber, Muslime und Frauen, sagte sie.

Ihr Ziel hat die "Mutter der jemenitischen Revolution" jedoch noch nicht erreicht: Sie ist ein Stachel im Fleisch von Staatschef Ali Abdullah Salih, doch der ist noch immer an der Macht - und er macht keine Anstalten, abzutreten. Bereits für den heutigen Freitag werden erneut Massenproteste erwartet. Erstmals haben sie die Unterstützung einer Friedensnobelpreisträgerin.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1157156
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/dpa/AFP/fo
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.