Jemen:Zwischen Erzfeinden

A man stands past the wreckage of government forces vehicles destroyed by UAE air strikes near Aden

Alltags-Szenen in der jemenitischen Stadt Aden: Ein Mann betrachtet ein bei einem emiratischen Luftangriff zerstörtes Regierungsfahrzeug.

(Foto: Fawaz Salman/Reuters)

Der Krieg im ärmsten Land der arabischen Halbinsel droht zu eskalieren. Der UN-Sondergesandte fordert ein "umfassendes Friedensabkommen".

Von Moritz Baumstieger und Dunja Ramadan

Zum Anforderungsprofil für UN-Sondergesandte gehört unzerstörbarer Optimismus - und die Chuzpe, genau dann die Wendung hin zum Besseren zu suchen, wenn alle Vorzeichen auf Eskalation stehen. Insofern handelte der Jemen-Beauftragte der Vereinten Nationen folgerichtig, als er am Montag auf Twitter und in einem Meinungsbeitrag für die New York Times "informelle und strukturierte Gespräche" mit allen beteiligten Akteuren ankündigte. Martin Griffiths zielt dabei nicht auf Zwischenschritte wie einen Waffenstillstand. Er will mehr, "ein umfassendes Friedensabkommen". Gerade jetzt.

Am Wochenende hatten in Saudi-Arabien schwere Explosionen die Ölanlagen des Staatskonzern Aramco erschüttert. Die schiitische Huthi-Miliz in Jemen reklamierte die Anschläge für sich, doch Washington und Riad vermuten Iran hinter den Angriffen. Am Rande einer Syrien-Konferenz in Ankara dementierte dessen Präsident Hassan Rohani am Montagabend jegliche Beteiligung und verteidigte das Recht der Huthis, gegen Saudi-Arabien vorzugehen. Die Eskalation sei nichts mehr als Widerstand der Jemeniten "gegen die Kriegsverbrechen der von den Saudis angeführten Militärkoalition". Die Jemeniten hätten ein Recht darauf, "sich gegen die Vernichtung ihres Landes zu wehren", sagte Rohani - und tat dabei so, als stünde das Land geschlossen hinter den schiitischen Rebellen aus dem Nordwesten, die von Iran unterstützt, aber wohl nicht direkt kontrolliert werden.

Der saudische Kronprinz hat sich in dem Konflikt schon einmal grundlegend verrechnet

Dass Saudi-Arabien auf den Angriff reagieren wird, gilt als ausgemacht. Auf welche Weise und wo diese Reaktion stattfinden wird, ist hingegen unklar. Eine neue militärische Initiative in Jemen wäre für Riad im Vergleich mit einem Schlag gegen Iran einfach und in ihren Konsequenzen einigermaßen kalkulierbar - andererseits hat sich der saudische Kronprinz hier schon einmal grundlegend verrechnet.

Als Mohammed bin Salman 2015 das Amt als Verteidigungsminister übernahm, schmiedete er ein Bündnis sunnitischer Staaten aus der Golfregion und aus Nordafrika. Das Ziel: Die Huthi-Rebellen aus der Hauptstadt Sanaa vertreiben, den Einfluss des Erzfeindes Iran zurückdrängen und den Riad-freundlichen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi wieder installieren. Der Kronprinz war überzeugt, dass dies im ärmsten Land der arabischen Halbinsel nicht so schwer sein kann, der Einsatz nach wenigen Wochen erfolgreich beendet würde. Nach mehr als viereinhalb Jahren Krieg muss er einsehen, sich verschätzt zu haben.

Im Ausland hat das Vorgehen der Koalition im Jemenkrieg der Reputation des Königreichs schwer geschadet: Die UN bezeichnen den Konflikt als "weltweit schwerste humanitäre Krise". Weil die Koalition verhindern will, dass die Huthi-Rebellen von verdeckten Waffenlieferungen profitieren, hat sie auch den Import von Hilfsgütern streng limitiert. Kritiker fühlen sich an mittelalterliche Belagerungstaktiken erinnert: 24 Millionen Menschen benötigen dringend humanitäre Hilfe, zehn Millionen Menschen sind vom Hungertod bedroht. Zudem treffen die Luftangriffe häufig zivile Einrichtungen. Die Maßnahmen zum Schutz der Menschen in Jemen bezeichnete ein UN-Expertengremium in einem Bericht von 2019 als "weitgehend unzureichend und wirkungslos".

Internationaler Druck, die hohen Kosten des Einsatzes und vor allem die explosive Lage im Konflikt mit Iran führten zuletzt dazu, dass das von Saudi-Arabien geführte Militärbündnis bröckelte: Nicht nur Marokko zog sich in diesem Jahr aus der Koalition zurück, was es ausgerechnet in dem in Raid verhassten katarischen Sender Al Jazeera verkündete. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate, der zweitwichtigste Akteur im Bündnis, zog einen Großteil seiner Truppen aus Jemen ab. Die Vorfälle in der Straße von Hormus drohten zu eskalieren, in einem Krieg wären die Emirate leicht verwundbar.

Wie schlecht es um das Bündnis steht, zeigte sich anschließend in Südjemen. Dort unterstützt Abu Dhabi die Separatisten des Südlichen Übergangsrates (STC), die im August zentrale Posten in Aden besetzt hatten. Der STC kämpfte zwar mit der Regierung Hadis gegen die Huthi-Miliz, strebt aber eigentlich die neuerliche Abspaltung des Südens an. Hadis Truppen und die Separatisten beschossen sich nun, anstatt es mit der Huthi-Miliz aufzunehmen. Um Einigkeit zu demonstrieren, forderten Riad und Abu Dhabi ein Ende der Kämpfe, verlangten von beiden Seiten, zu "konstruktiven" Verhandlungen am 5. September in Saudi-Arabien zu erscheinen.

Der UN-Sondergesandte Griffiths begrüßte das - und schlug als Zweckoptimist vor, den Friedensprozess wieder anzuschieben.

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