Jemen:Bröckelndes Bündnis der arabischen "Brüdernationen"

Konflikt im Jemen

Separatisten des sogenannten Südlichen Übergangsrats (STC) fahren durch Aden. Die Separatisten begannen damit, ein Waffenverbot in der Hafenstadt durchzusetzen.

(Foto: Murad Abdo/dpa)

Der Krieg entzweit Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Er offenbart die eigenständige Außenpolitik Abu Dhabis.

Von Moritz Baumstieger und Dunja Ramadan

Der Krieg in Jemen entwickelt sich zur Belastungsprobe zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien. Regionalpolitische und ideologische Ziele schweißen die Länder zusammen, die sich eigentlich stets als "Brüdernationen" bezeichnen: Beide wollen das Machtstreben Irans eindämmen und sind keine großen Fans von Demokratisierungsbewegungen in der Region, beide setzen im Inneren auf die Erschließung neuer Wirtschaftszweige, um den Wohlstand ihrer noch ölreichen Nationen und die Macht ihrer Dynastien zu erhalten.

In Jemen, wo beide seit 2015 die von der Huthi-Miliz aus weiten Teilen des Landes vertriebenen Regierung von Abd-Rabbo Mansur Hadi unterstützen, zeigen sich nun Risse in der Fassade der Einheit. Schon ein Anfang Juli überraschend verkündeter Teilabzug der emiratischen Truppen löste Unmut aus in Riad. Doch was am Donnerstag in der Hafenstadt Aden im Süden des Landes geschah, ist nicht mehr mit schönen Floskeln wegzuretuschieren: Als die mit der von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition verbündeten jemenitischen Regierungstruppen wieder in die von Separatisten gehaltene Stadt einrücken wollten, traf sie ein Luftangriff. Mindestens 30 Soldaten sollen laut Regierungsangaben getötet worden sein - und das jemenitische Außenministerium hatte ziemlich schnell einen Schuldigen ausgemacht: "Wir schreiben den Vereinigten Arabischen Emiraten die volle Verantwortung für diesen eklatanten, rechtswidrigen Militäranschlag zu", hieß es in einer Erklärung. Die Emirate bestätigten, Angriffe durchgeführt zu haben, sie hätten auf "Terroristen" gezielt und eine Antwort auf Angriffe auf die Koalition gegeben.

Der ohnehin komplexe Bürgerkrieg in Jemen ist somit um ein Paradoxon reicher: Die Emirate bombardieren eine Kraft, die unter dem Schutz ihres Partners steht, und mit der sie eigentlich ebenfalls verbündet sind. Seit einiger Zeit fördern die Emirate in Jemen die Separatisten des Südlichen Übergangsrates (STC), die Anfang August zentrale Posten in Aden besetzt hatten. Der STC kämpfte zwar mit der Regierung Hadis gegen die schiitische Huthi-Miliz, strebt aber eigentlich die neuerliche Abspaltung des Südens an - bis 1990 war das Land geteilt.

Trumps Unberechenbarkeit könnte der Region schaden, besonders den Emiraten

Auch im Konflikt mit Iran scheint Abu Dhabi eigene Wege auszuloten. Ende Juli reisten erstmals seit Jahren emiratische Diplomaten nach Teheran, um die heikle Lage am Persischen Golf zu besprechen. Regierungsnahe Kreise in den Emiraten sind aber darauf bedacht, gar nicht erst den Eindruck von Unstimmigkeiten zwischen den Golfstaaten aufkommen zu lassen: Der emiratische Politikwissenschaftler Abdulkhaleq Abdulla spricht von einer "sehr kleinen Delegation", die in Absprache mit Riad entsandt wurde. Auch in der Jemen-Frage sei die Abstimmung weiter gut: "Die Emirate treffen keine Entscheidung ohne ihren Partner in Riad", sagt er. Die Entscheidung, die Truppen in Jemen zu reduzieren, sei jedoch ein "fester Standpunkt, der sicher nicht mehr rückgängig gemacht werde".

Den Grund für die neue, eher deeskalierende Haltung der Emirate sieht Abdulla in der Iran-Politik der USA. Die Frage, die man sich in Abu Dhabi stelle, sei, ob man "wirklich alle Eier in Trumps Korb legen wolle". Dessen Unberechenbarkeit könnte der Region schweren Schaden zufügen - vor allem den Emiraten, die sich als internationales Handelszentrum und beliebtes Urlaubsziel einen Namen gemacht haben. Ein Krieg wäre schlecht fürs Image, hätte vor allem aber fatale wirtschaftliche Folgen. Als ein Zugeständnis an Iran will Abdulla den Teilabzug der Truppen seines Landes aus Jemen aber nicht verstanden wissen, eher als Folge einer Ernüchterung: Jemens Regierung unter Hadi halte man für schwach, deshalb wolle man sich langsam aus dem Konflikt zurückziehen.

Während die neue Eigenständigkeit in Abu Dhabis Außenpolitik Saudi-Arabien wohl verärgert, wird sie anderswo positiv gesehen. Nach Informationen des Magazins Der Spiegel erwägt die Bundesregierung, wieder Waffenverkäufe in die Emirate zu erlauben. CDU und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, nicht mehr in am Jemenkrieg beteiligte Staaten zu exportieren. Der Teilrückzug der Emirate und ihre Distanzierung von Riad lassen Berlin nun umdenken.

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