Japan:Regierungschef Ishiba sucht Partner nach Wahldebakel

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Japans Premierminister Shigeru Ishiba winkt, als er nach einer Ansprache vor Journalisten den Sitz der Liberaldemokratischen Partei (LDP) in Tokio verlässt. (Foto: TAKASHI AOYAMA/AFP)

Japans Dauerregierungspartei LDP wird von einem Parteispendenskandal erschüttert. Bei der Unterhauswahl wird sie abgestraft, der neue Premier Ishiba braucht Hilfe, um weiterzuregieren.

Japans regierende Liberaldemokratische Partei hat bei der Wahl zum mächtigen Unterhaus Prognosen zufolge ein Debakel erlebt. Der neue Ministerpräsident Shigeru Ishiba steht deshalb vor einer ungewissen Zukunft. Seine von einem Parteispendenskandal erschütterte Liberaldemokratische Partei LDP und ihr Juniorpartner Komeito haben künftig nur noch 215 der 465 Sitze in der Kammer und verfehlten damit ihr Minimalziel, zumindest die Mehrheit zu behalten. Zuvor hatte das Koalitionslager noch mit einer satten Unterhausmehrheit von 288 Mandaten regiert.

Jetzt muss sich Ishiba um weitere Partner bemühen, um eine stabile Regierung formen zu können. Das Parlament muss innerhalb von 30 Tagen zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um dann beide Kammern über den Ministerpräsidenten abstimmen zu lassen. Sollte Ishiba gewählt werden, würde er ein neues Kabinett bilden. Sollte das Parlament jedoch einen neuen Regierungschef wählen, wäre Ishibas Amtszeit die kürzeste der japanischen Nachkriegszeit, wie japanische Medien am Tag nach der Unterhauswahl festhielten.

Die größte Oppositionspartei, die Konstitutionelle Demokratische Partei Japans des früheren Ministerpräsidenten Yoshihiko Noda, konnte deutlich zulegen, hat aber auch keine Mehrheit. Sollte bei der Abstimmung über den Ministerpräsidenten im Parlament niemand die Mehrheit erreichen, könnte es zu einer Stichwahl zwischen Ishiba und Noda kommen. Nodas Partei profitierte bei der Unterhauswahl vor allem vom Ärger der Wählerinnen und Wähler über den Parteispendenskandal der LDP. Es wird erwartet, dass die LDP und Nodas Partei damit beginnen, andere Oppositionsparteien zu umwerben, um eine Koalition oder ein Bündnis zu bilden. Das Oppositionslager in Japan ist stark zersplittert.

Regierungschef Ishiba sprach am späten Abend im Fernsehen von einem harten Urteil der Wählerinnen und Wähler. Man müsse die Abstimmung mit Demut annehmen.

Der 67 Jahre alte Ishiba hatte erst am 1. Oktober die Nachfolge von Fumio Kishida angetreten. Umfragen vor der Wahl hatten bereits angedeutet, dass es die Koalitionsparteien schwer haben könnten, die für eine Mehrheit erforderlichen 233 Sitze im Unterhaus zu erreichen. Die LDP regiert das mit Deutschland zur G 7 gehörende Land seit Jahrzehnten fast ununterbrochen.

Ishiba drückte die Hoffnung aus, seine Politik fortsetzen zu können. Der Politveteran war angetreten, seine von Skandalen erschütterte Partei zu erneuern. Nur acht Tage nach dem Amtsantritt hatte Ishiba das Unterhaus in der Hoffnung aufgelöst, sich bei den Neuwahlen am Sonntag das Mandat der Wähler zu sichern. Einige Parteimitglieder, die in den Skandal verwickelt sind, hatte die LDP nicht als offizielle Kandidaten für die Wahl zugelassen. Mehrere von ihnen verloren den Prognosen zufolge ihre Sitze.

Bedrohung durch China und Nordkorea

Diejenigen, denen die Unterstützung der LDP verweigert wurde, hatten enge Beziehungen zum ermordeten Ministerpräsidenten Shinzo Abe, der auch nach seinem Rücktritt als Parteivorsitzender 2020 erheblichen Einfluss auf die LDP ausgeübt hatte. Die LDP schloss nicht aus, diejenigen von ihnen, die Sitze gewannen, wieder in ihren Reihen zu akzeptieren.

Ishiba will Japans Verteidigung angesichts des Machtstrebens Chinas in der Region und der Bedrohungen durch Nordkoreas Raketen- und Atomprogramm stärken und die unter den Folgen der Überalterung leidenden ländlichen Regionen des Landes wirtschaftlich stärken. Außerdem hat er den Wählerinnen und Wählern versprochen, negative Auswirkungen der Inflation zu mildern. Doch der Parteispendenskandal setzt seiner Partei schwer zu.

 

© SZ/dpa/Reuters/jael/lath - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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