"Gesetze für Frieden und Sicherheit":Tokio schleicht zu den Waffen

  • Das japanische Kabinett hat ein Gesetzesbündel beschlossen, das Nippons Armee erlaubt, sich uneingeschränkt an Einsätzen zu beteiligen, die von den UN oder einer ihrer Unterorganisationen sanktioniert sind.
  • Japan darf den neuen "Gesetzen für Frieden und Sicherheit" zufolge nicht kämpfen, sondern nur unterstützend eingreifen.
  • Dennoch sehen Beobachter in der Neuerung eine bedeutende Wende in der seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs strikt defensiven japanischen Sicherheitspolitik.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Das japanische Kabinett hat am Donnerstag ein Gesetzesbündel beschlossen, das Nippons Armee eine prominentere Rolle im Bündnis mit den USA gewährt sowie in Einsätzen, die mit einem UN-Mandat geführt werden. Die "Selbstverteidigungskräfte", wie die Armee offiziell heißt, sollen verbündeten Nationen im Falle eines Angriffs künftig militärisch zu Hilfe eilen dürfen, falls auch Japan bedroht sei. Solche Einsätze, die man in Tokio "kollektive Selbstverteidigung" nennt, sollen weltweit möglich sein. "Geografie ist kein Faktor", sagte Premierminister Shinzo Abe im Parlament.

Hingegen verlangen die neuen "Gesetze für Frieden und Sicherheit", wie sie heißen, dass die Regierung zuerst alle Möglichkeiten der friedlichen Beilegung eines Konflikts ausschöpfe und nur "ein Minimum an Gewalt" anwende. Ein Offizieller des Außenministeriums, der nicht namentlich zitiert werden will, versichert, Japan bleibe eine Friedensnation.

Kämpfen dürfen die Japaner nicht, nur ihre Verbündeten verteidigen

Neu ist, dass die Selbstverteidigungskräfte auch uneingeschränkt an Einsätzen teilnehmen dürfen, die von den UN oder einer ihrer Unterorganisationen sanktioniert sind. Allerdings nur als logistische Unterstützer; dazu zählen die Überwachung und die Versorgung von Alliierten mit Munition. Kämpfen dürfen die Japaner nicht, nur ihre Verbündeten, deren Ausrüstung und Waffen mit Gewalt verteidigen. Das Parlament muss den Gesetzen noch zustimmen. Abe forderte es auf, dies unbedingt noch in der laufenden Sitzungsperiode zu tun. Die Möglichkeit, Abgeordnete könnten seine Entwürfe abändern, wollte er nicht kommentieren.

Die neue, eng mit den USA koordinierte Militärdoktrin werde "die Abschreckung verstärken und das Kriegsrisiko verringern", behauptete Abe vor der Presse. Japan dürfe nicht länger die Augen schließen und stillstehen, sagte er mit Blick auf China, ohne den großen Nachbarn zu nennen. Von Kriegsgesetzen zu sprechen, wie es seine Kritiker tun, sei "verantwortungslos". Washington verlangt von Tokio seit Jahrzehnten eine aktivere militärische Beteiligung an der gemeinsamen Sicherheitsallianz.

Die Tageszeitung Asahi Shimbun sieht in den neuen Gesetzen einen "massiven Schwenk in der Sicherheitspolitik", zumal manche Beamte in Tokio sagen, künftig sei "militärisch fast alles möglich". Das Außenministerium dagegen will nur eine "sanfte Anpassung" erkennen, jedenfalls gegenüber ausländischen Journalisten. Die Komeito, Abes buddhistischer Koalitionspartner, nimmt für sich in Anspruch, den Premier gebremst zu haben. Sie hat durchgesetzt, dass jeder Armee-Einsatz vom Parlament bewilligt werden muss. Damit sei die Schwelle sehr hoch, dass die Armee tatsächlich mobilisiert würde.

Den Friedensparagrafen in der Verfassung möchte Premier Abe abschaffen

Die neuen Gesetze sind so offen formuliert, dass Befürworter und Gegner hineinlesen können, was sie wollen. Nach konkreten Beispielen gefragt, etwa, ob Japan nun in Scharmützel im Südchinesischen Meer auf der Seite der Philippinen eingreifen oder gegen die Vereinigten Staaten gerichtete ballistische Raketen abfangen könnte, weichen die Vertreter der Regierung konsequent aus. Für hypothetische Fälle gebe es keine Antworten.

Das verwirrt auch die Wähler. Gemäß einer Umfrage des öffentlich-rechtlichen Fernsehens NHK sagen 49 Prozent der Japaner, sie verstünden die Änderungen nicht. 50 Prozent sprechen sich gegen eine bedeutendere Rolle der Armee aus. Der Friedensparagraf in der Verfassung, der es Japan eigentlich verbietet, Krieg zu führen oder eine Armee zu unterhalten, ist nach wie vor populär. Dennoch möchte Abe ihn abschaffen.

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