Japan und Korea:Tokios neuer Freund

Japan und Korea: Der südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol spricht am 1. März in Seoul über eine gute Nachbarschaft mit Japan - zum Ärger etlicher Aktivisten.

Der südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol spricht am 1. März in Seoul über eine gute Nachbarschaft mit Japan - zum Ärger etlicher Aktivisten.

(Foto: Jung Yeon-Je/Getty)

Im Streit um Entschädigungen für Zwangsarbeiter aus der Kolonialzeit schlägt Südkoreas Regierung eine Einigung vor, die Japan gefällt. Doch in Seoul regt sich Protest.

Von Thomas Hahn, Tokio

Die Vorlage zum Versöhnungsangebot kam am vergangenen Mittwoch. Es war der Tag der Unabhängigkeitsbewegung in Südkorea, der 104. nach den Demonstrationen vom 1. März 1919 gegen die japanischen Besatzer - und der erste in der Amtszeit des konservativen Präsidenten Yoon Suk-yeol. In seiner Rede erinnerte Yoon an die Märtyrerinnen und Märtyrer, die während Japans Kolonialherrschaft von 1910 bis 1945 für Koreas Souveränität gekämpft hatten. Aber eigentlich ging es ihm um die Zukunft und die gute Nachbarschaft. Yoon sagte: "Japan hat sich von einem militaristischen Aggressor in einen Partner verwandelt."

Der Satz hat in Japan Schlagzeilen gemacht. Und am Montag verkündete Südkoreas Außenminister Park Jin dann dieses Friedensangebot im Konflikt um Kompensationszahlungen an Zwangsarbeiter aus der Kolonialzeit. Eine regierungsnahe Stiftung solle diese übernehmen. Das Urteil des Obersten Gerichtshofs in Seoul von 2018, wonach die japanischen Firmen Mitsubishi Heavy Industries and Nippon Steel 15 Koreaner entschädigen müssen, ist damit wohl hinfällig.

Yoon versteht Japans konservative Regierung, weil er selbst ein Konservativer ist

Es ist keine Überraschung, dass Südkorea und Japan sich unter Yoon Suk-yeol näherkommen. Das Urteil von 2018 stammt aus der Zeit, als in Seoul Moon Jae-in von der Demokratischen Partei (DP) regierte. Moon ist ein liberaler Nationalist, der Japan mit seiner sanften Nordkorea-Politik irritierte. Das Urteil gegen Mitsubishi und Nippon Steel passte zu Moons Meinung, dass Japan die gemeinsame Geschichte zu oberflächlich aufarbeite. Tokio hingegen war empört: Alle Reparationsfragen aus der Kolonialzeit seien doch im Grundlagenvertrag von 1965 zur Normalisierung des Verhältnisses beider Länder geregelt.

1965 war Südkorea eine Militärdiktatur. Der Richterspruch von 2018 war eine Entscheidung zu Privatklagen, aber Japan deutete ihn als Vertragsbruch. 2019 verhängte Tokio Ausfuhrkontrollen für einzelne Hightech-Rohstoffe und nahm Südkorea von seiner Liste bevorzugter Handelspartner. Südkoreas Regierung beschwerte sich bei der Welthandelsorganisation WTO.

Unter Yoon ist die Stimmung anders. Er versteht Japans konservative Regierung, weil er selbst ein Konservativer ist. Wegen alter, komplizierter Themen die Wirtschaft zu schwächen, ist nicht sein Stil. Und die Parteidiktatur Nordkorea ist für ihn kein Bruderstaat, sondern ein Feind mit Atomwaffen - wie für Japan. Yoon will ein starkes Sicherheitsbündnis mit Japan. So kamen wohl auch die Gespräche zur Zwangsarbeiterfrage zustande.

Südkorea kam Japan weit entgegen. Nach dem Yoon-Plan wird die Stiftung "für die Opfer der Zwangsmobilisierung" Spenden für die Prozessgewinner sammeln. Als Entschuldigung reicht Yoon offensichtlich das Bekenntnis zu der gemeinsamen Erklärung von 1998, in der Japan Reue für den "schrecklichen Schaden und Schmerz" ausdrückte. Um eine "zukunftsorientierte Beziehung zwischen Südkorea und Japan" gehe es bei dieser Lösung, sagte Yoon am Montag. US-Präsident Joe Biden begrüßte ein "bahnbrechendes neues Kapitel in der Partnerschaft zweier unserer engsten Verbündeten".

Südkorea dürfte bald wieder auf Japans Liste bevorzugter Handelspartner stehen

Und Tokio? Fühlt sich laut Nachrichtenagentur Kyodo bestätigt. Man werde Südkoreas Wunsch nach einer "aufrichtigen Antwort" entsprechen, indem man japanischen Firmen erlaube, für die Stiftung zu spenden. Südkorea dürfte bald auch wieder auf Japans Liste bevorzugter Handelspartner stehen. Die Yoon-Regierung hat schon beschlossen, die Beschwerde bei der WTO zurückzuziehen.

Aber in Seoul regte sich Protest. Bürgerrechtsaktivisten forderten vor dem Außenministerium, den Vorschlag zurückzuziehen. Ein Bündnis aus 611 Bürger- und Arbeiterorganisationen erklärte, ohne Entschuldigung und direkte Entschädigung durch die verurteilten japanischen Firmen sei die Einigung inakzeptabel. Ein Aktivist fand es laut Nachrichtenagentur Yonhap "bedauerlich, dass Präsident Yoon und Minister Park ihr Amt unter Missachtung des Urteils des Obersten Gerichtshofs ausgeübt haben". DP-Chef Lee Jae-myung sagte: "Es sieht so aus, als verrate die Yoon-Administration die Rechtmäßigkeit der Geschichte." Für viele fühlte es sich so an, als habe Südkorea wieder mal gegen Japan verloren.

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