Der Attentäter des früheren japanischen Ministerpräsidenten Shinzō Abe soll ursprünglich den Anführer einer religiösen Gruppe zum Ziel gehabt haben. Das habe der unmittelbar nach seinem Angriff festgenommene 41-jährige Japaner beim Verhör ausgesagt, erfuhr die japanische Nachrichtenagentur Kyodo aus Ermittlerkreisen.
Der Mann hatte Abe am Freitag während einer Wahlkampfrede in der Stadt Nara aus drei Metern Entfernung von hinten mit einer selbstgebauten Waffe erschossen. Er sei "unzufrieden" mit Abe und habe ihn "töten" wollen, wurde er zitiert. Er hege einen Groll auf eine "bestimmte Organisation", zu der Abe Verbindungen habe. . Gemeint sei eine nicht genannte religiöse Gruppe, hieß es.
Die von Japans Medien transportierte vage Bezeichnung "bestimmte" religiöse Organisation schürte im Internet Spekulationen, es könnte sich dabei womöglich um die umstrittene Vereinigungskirche des verstorbenen koreanischen Sektengründers San Myung Mun handeln. Die auch als Mun-Sekte bekannte Organisation hat Mitglieder in vielen Ländern, auch in Japan, und unterstützt konservative politische Anliegen. Politiker wie der frühere US-Präsident Donald Trump und Abe gelten als ihr gegenüber freundlich eingestellt. Mun, der stark anti-kommunistisch gesinnt war, hatte sie 1954 gegründet. Wie der öffentlich-rechtliche Fernsehsender NHK am Samstag aus Ermittlungskreisen erfuhr, soll der Attentäter ausgesagt haben, dass seine Mutter der "bestimmten Organisation" beigetreten sei und ihr sehr viel Geld gespendet habe, was die Familie zerrüttet habe.
Die Polizei durchsuchte noch am Tag des Attentats die Wohnung des Täters. Dabei seien mehrere selbstgebaute Schusswaffen sichergestellt worden. Der 41 Jahre alte Arbeitslose hatte bis 2005 drei Jahre lang in der Marine gedient hatte und soll dort auch an Handfeuerwaffen ausgebildet worden sein.
Das Attentat hat in aller Welt Entsetzen ausgelöst. Japan gilt als eines der sichersten Länder der Welt und verfügt über äußerst strenge Waffengesetze. Fachleute beschäftigt nun unter anderem, warum das Sicherheitspersonal am Ort den Anschlag nicht verhindern konnte. "Ich glaube nicht, dass es in Japan mit seinen strengen Waffengesetzen genügend Vorsichtsmaßnahmen für Schusswaffen gibt", wurde ein Experte für Personenschutz von der Zeitung Nikkei zitiert. Die Nationale Polizeibehörde will laut Medienberichten nun ihr Sicherheitsprotokoll für prominente Persönlichkeiten auf Mängel hin überprüfen.
Der Mordanschlag geschah kurz vor den Wahlen zum Oberhaus des nationalen Parlaments an diesem Sonntag. Sie sollen trotz des Attentats wie geplant stattfinden, hieß es von Seiten der Regierung.