Süddeutsche Zeitung

Profil:Sanae Takaichi

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Die Nationalistin könnte bald Japans erste Regierungschefin werden.

Von Thomas Hahn

Seit Japans Premierminister Yoshihide Suga am Freitag überraschend erklärt hat, er wolle bei der Wahl zum neuen Präsidenten der LDP am 29. September nicht mehr antreten, ist in der rechtskonservativen Regierungspartei einiges in Bewegung gekommen. Kandidaten für die Nachfolge bringen sich in Position. Und die Chancen sind gestiegen, dass Sanae Takaichi, 60, Sugas Posten übernimmt und damit die erste Frau an der japanischen Regierungsspitze wird. Am Wochenende berichteten japanische Medien nämlich, dass Sugas Vorgänger Shinzo Abe die LDP-Abgeordnete aus Nara unterstützt. Wenn das stimmt, hätte Takaichi einen sehr einflussreichen Fürsprecher.

Frauen auf Spitzenpositionen sind gerade gefragt in der männerdominierten Politik Japans. Das ist eine Folge der Sommerspiele, die am Sonntag mit der Schlussfeier der Paralympics zu Ende gegangen sind. Deren früherer Organisationschef, der Ex-Premier Yoshiro Mori, entfachte im Februar internationale und dann auch nationale Empörung mit einer Empfehlung gegen mehr Frauen in Vorständen. Er trat zurück. Ihm folgte seine LDP-Parteifreundin Seiko Hashimoto - und jetzt gilt es auch unter Rechtskonservativen mehr denn je als angezeigt, Frauen zu befördern. Allerdings bevorzugt Frauen, die Verständnis für den japanischen Machismo haben. Und in dieser Hinsicht ist Sanae Takaichi eine gute Wahl.

Eine stramm Konservative, die auf eine sogenannte wilde Jugend zurückblickt

Sanae Takaichi, geboren in Nara, blickt zwar auf eine sogenannte wilde Jugend zurück. Sie war Schlagzeugerin einer Heavy-Metal-Band und fiel während des Wirtschaftsstudiums in Kobe als pinkhaarige Motorradfahrerin auf. Aber heute sind die Haare schwarz. Motorrad fährt sie nicht mehr seit ihrer Wahl ins Parlament als parteilose Abgeordnete 1993. Und die Anfänge im eher linken Politik-Spektrum - etwa ihre USA-Zeit 1987 als Mitarbeiterin der demokratischen Abgeordneten Patricia Schroeder - sind lange her.

Sanae Takaichi vertritt mit weiblichem Charme eine stramm nationalistische Gesinnung. Ihre Positionen sind typisch für den rechtskonservativen Flügel der LDP. Damit passte sie immer gut ins Kabinett Abes. Zu dessen Premierminister-Zeiten konnte sie sich darauf verlassen, hohe Posten zu bekommen. Zweimal, von 2014 bis 2017 und von 2019 bis zum Rücktritt Abes im September 2020, war sie Ministerin für allgemeine Angelegenheiten und Kommunikation. Als solche besuchte sie ohne Bedenken den Yasukuni-Schrein in Tokio, in dem unter anderen 14 japanische Klasse-A-Kriegsverbrecher in Ehren gehalten werden. Sie vertrat außerdem die Auffassung, dass Fernsehsender ihre Lizenz verlieren sollten, wenn die Regierung deren Programm für politisch voreingenommen hält. Und sie ist strikt dagegen, dass Eheleute getrennte Namen haben, weil das die japanische Familientradition unterwandere.

Außerdem ist Takaichi eine Verfechterin der sogenannten Abenomics, der Wirtschaftspolitik Abes, die auf einer ultralockeren Geldpolitik fußt und unter der Japan in den Jahren der günstigen Weltkonjunktur ein stetiges Wirtschaftswachstum verzeichnete. In einem Beitrag für die Monatszeitschrift Bungei Shunju schrieb sie kürzlich, dass sie Yoshihide Suga als Premier zunächst unterstützt habe, "weil er deutlich gemacht hatte, dass er der Politik des Kabinetts Abe folgen würde". Das hat Suga dann aus ihrer Sicht nicht gut genug gemacht. In Kürze bringt sie ein Buch heraus, in dem sie einen ökonomischen Kurs namens "New Abenomics" ausrufen will. Wenn Abe sein Vermächtnis bewahren will, muss er seine alte Freundin Takaichi stark machen. Denn wer in Japan den LDP-Chefposten bekommt, führt auch die Regierung - sofern die Partei die Unterhauswahl in diesem Herbst gewinnt.

Die anderen ernst zu nehmenden Kandidaten, der Reformminister Taro Kono und Ex-Außenminister Fumio Kishida, wollen beide die Abkehr von der Abenomics-Politik. Sie planen etwas Neues für Japan. Das will Sanae Takaichi auf keinen Fall.

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