Japan:Krönung ohne Worte

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Mit einer acht Minuten langen, stummen Zeremonie besteigt der 59-jährige Naruhito Japans Kaiserthron. Während er offenbar im neuen Amt angekommen ist, wirkt die neue Kaiserin angespannt.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Japans neuer Kaiser Naruhito und Kaiserin Masako bei der Zeremonie „Sokui go Choken no gi“ im Kaiserpalast in Tokio. Mit ihrer Thronbesteigung beginnt die Ära „Reiwa“ (schöne Harmonie). (Foto: Handout / Kyodo News / dpa)

In einer stummen Zeremonie hat Japan einen neuen Tenno bekommen. Höflinge präsentierten am Mittwochmorgen Kronprinz Naruhito die kaiserlichen Regalien, das Schwert und das Krummjuwel. Dazu das traditionelle Tenno-Siegel und ein persönliches Siegel für ihn als neuen Regenten. Damit hat der 59-Jährige sein Amt angetreten. Zur feierlichen Übergabe im Matsu-no-Ma-Saal des Palastes, die nur acht Minuten dauerte, trug er einen Frack mit Orden. Es wurde kein Wort gesprochen.

Im selben Saal war sein Vater, Kaiser Akihito, am Vorabend in einer schlichten Zeremonie zurückgetreten. Er erklärte seine "Pflichten als Kaiser" für beendet, dankte dem japanischen Volk für das Vertrauen und den Respekt, die es ihm für die Interpretation seiner Aufgabe entgegengebracht habe, "Symbol des Staates" zu sein. Darüber sei er sehr glücklich. Er und Kaiserin Michiko wünschten, dass die beginnende Reiwa-Ära stabil und erfolgreich werde.

Nach der Inthronisierung folgen bis November weitere Feierlichkeiten

Zuvor hatte der 85-Jährige, diesmal im Kleiderstil der Heian-Zeit, der Periode vom 9. bis zum 12. Jahrhundert und vielleicht der glücklichsten Epoche in Japans Geschichte, am Kashikodoroko-Schrein auf dem Gelände des Palasts symbolisch seine Ahnen über seinen Rücktritt unterrichtet.

Die dritte Regalie des Tenno ist ein Spiegel, der im Ise-Schrein aufbewahrt wird, der heiligsten Stätte des Shintoismus. Er repräsentiert die Seele der Sonnengöttin, von der die Kaiserfamilie abstammen soll. Während Naruhito schweigend, nur mit angedeuteter Verbeugung, das Schwert und das Krummjuwel annahm, ohne sie anzufassen, erwies ein Höfling in seinem Namen dem heiligen Spiegel die Referenz.

Wie der Spiegel ist auch das Schwert eine Kopie, das bei der Feier in ein rot-weißes Furoshiki gehüllt blieb, so nennen die Japaner jene Tücher, mit denen sie Wertsachen, aber auch Alltagsgegenstände einwickeln. Das Original liegt im Atsuta-Schrein in Nagoya. Der Legende nach erhielt Jimmu, der sagenumwobene erste von nun 126 Kaisern, das Schwert vom Sturmgott. Es gilt als "heilig", ein Wort, das Japans Regierung meidet, da die Verfassung die Trennung von Religion und Staat vorschreibt. Sie spricht von "altehrwürdigen Objekten", die mit dem Thron weitergereicht würden.

In der zweiten Zeremonie am Mittwochmorgen richtete sich Naruhito, nun in Begleitung von Masako, der neuen Kaiserin, erstmals als Tenno ans Volk, das von 266 Gästen vertreten wurde, angeführt von Ministerpräsident Shinzo Abe. Auch diese Feier dauerte nur zehn Minuten. In der kurzen Rede würdigte er seinen Vater Akihito. Als "Symbol des Staates und Einheit des Volks" habe er in den "dreißig Jahren auf dem Thron stets die Sorgen und das Glück der Menschen geteilt und für den Weltfrieden gebetet." Dafür zolle er ihm großen Respekt. Er werde die Wege seines Vaters studieren und sich bemühen, seiner Rolle gerecht zu werden. Er schwöre, die Verantwortung im Sinne der Verfassung wahrzunehmen. Und bete für das Wohl der Menschen, die Weiterentwicklung der Nation und den Weltfrieden. Akihito hatte den Weltfrieden in seiner kurzen Abdankungsrede sogar zweimal erwähnt. Manche Japaner deuten dies als Kritik an Abe, der Japans Militär stärken und international einsatzfähig machen will.

Während Naruhito mit seiner knappen Rede, die er mit voller Stimme vorlas, erkennbar in seinem Amt angekommen ist, auf das er ein Leben lang vorbereitet wurde, wirkte Masako angespannt. Die einstige Karrierediplomatin mit Harvard-Abschluss, wie die bisherige Kaiserin Michiko keine Adlige, schien angespannt. Die Zwänge des Hofamts und der Druck, Japan einen männlichen Erben gebären zu müssen, hatten sie in Depressionen getrieben. Am Mittwochmorgen hat sie den Menschen allerdings glücklich zugewinkt.

Am Samstag wird sich das Paar auf dem Balkon des Palastes erstmals der Bevölkerung präsentieren - die Inthronisierung ist damit freilich nicht zu Ende. Die weiteren Zeremonien gipfeln im "Sokuinorei" am 22. Oktober. Dazu werden Regierungsvertreter aus 200 Ländern eingeladen. Dann wird er auch für kurze Zeit den Takamikura besteigen, den eigentlichen Chrysanthementhron. Und mit Masako in einer offenen Limousine durch Tokio fahren.

Im November schließlich folgt das "Daijosai", ein Erntedankfest der Shinto-Religion, das tausend Jahre lang vergessen war, im 19. Jahrhundert aber neu erfunden wurde. Nach einem Reinigungsbad wird der neue Kaiser als Shinto-Priester der Sonnengöttin heiligen Reis, Sake und Fisch opfern. Selber wird er auch davon kosten und sich damit, so der Mythos, symbolisch mit Amaterasu vereinigen. Damit werde er, so die Legende, zum Mittler zwischen ihr und den Japanern.

Am Dienstagabend hatte Akihito, der abgetretene Kaiser, mit seiner allerletzten Geste - der einzigen, die nicht streng choreografiert war - im Matsu-no-Ma-Saal noch einmal seine Wärme und Menschlichkeit gezeigt, mit der er viele Japaner für sich gewonnen hat, auch solche, die das Kaisertum eigentlich ablehnen. Und die sein Sohn wohl hochhalten will. Auf den Wink eines Höflings stieg er die zwei Stufen vom Podium herunter. Er sollte den Saal nun als erster verlassen, indem er, als Joko, so sein neuer Titel, hinter dem Schwert her schritt. Gefolgt vom Paket mit dem Krummjuwel und den Siegeln. Dahinter folgte Michiko, die "emeritierte Kaiserin". Doch Akihito wartete an der Stufe auf Michiko. Er reichte ihr die Hand, um ihr beim Runtersteigen zu helfen. Erst dann folgte er dem Schwert, das auf ihn warten musste. In der Tür blieb er noch einmal stehen, blickte zurück, gleichsam um sicher zu gehen, dass Michiko ihm folgte.

© SZ vom 02.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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