Thronbesteigung von Naruhito:Japan steht vor Beginn des "Reiwa"

Japan - Devise des künftigen Kaisers Naruhito

Kabinettssekretär Yoshihide Suga gibt den Namen des neuen Zeitalters - "Reiwa" - bekannt.

(Foto: dpa)

So heißt das neue Zeitalter, das unter dem künftigen Kaiser Naruhito im Mai beginnen soll. Mit der Übersetzung des Begriffs tun sich sogar Fachleute schwer.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Japans nächstes Zeitalter heißt "Reiwa", das verkündete Kabinettssekretär Yoshihide Suga am Montag. Mit der Thronbesteigung von Kronprinz Naruhito am 1. Mai beginnt damit das Jahr "Reiwa-1". Wie man Reiwa deutet oder gar übersetzt, darüber rätselten auch Experten zunächst. Schließlich schälte sich "Gut, harmonisch, friedlich" heraus. Premier Shinzo Abe interpretierte den Begriff als "eine Kultur, die von Leuten geboren und genährt wird, die in Schönheit zusammenkommen".

Im heutigen Sprachgebrauch bedeutet das Schriftzeichen 令 "rei" "Dekret" oder "Befehl". 和 "wa" meint "Harmonie, Friede", aber auch "japanisch". Er müsse wissen, aus welchem historischen Text die Auswahlkommission die Zeichen habe, sagte Shigeji Ogura, Professor am "Nationalen Museum für Japanische Geschichte". Sonst könne er "Reiwa" nicht übersetzen. Bisher stammten Japans Epochen-Namen stets aus chinesischen Klassikern. Premier Shinzo Abe wollte jedoch, dass dieses Mal ein japanischer Klassiker berücksichtigt werde. Im "Manyoshu", der ältesten japanischen Gedichtsammlung, steht "rei" als Adjektiv vor dem Wort für Monat und meint eine "gute Jahreszeit", also stehe "Reiwa" für eine sanfte, friedliche Zeit.

"Heisei", der Name der ablaufenden Ära, steht für "Frieden erreichen". Gegenwärtig schreibt Japan das Jahr Heisei-31, das allerdings nur vier Monate dauern wird. Reiwa-1 dann nur acht Monate. Diese traditionelle Zeitrechnung wird heute offiziell "Gengo" genannt. Historisch hieß sie "Nengo", umgangssprachlich nennen die Leute sie heute noch so.

Im Amtsverkehr wird grundsätzlich das Gengo-Jahr verwendet, Tage und Monate dagegen entsprechen dem gregorianischen Kalender. Damit ist heute in Japan der 1. April H-31. Im Alltag ziehen zwei Drittel der Japaner die westliche Jahreszahlen vor, wie eine Umfrage der Tageszeitung Mainichi ergab. Und es werden immer mehr.

Dennoch verstehen viele Menschen den Wechsel von Heisei auf Reiwa als Ende einer Epoche. Bereits am 1. Januar feierten sie "das letzte Heisei-Neujahr", wie sie sagten. Freunde treffen sich derzeit "zum letzten Mal in Heisei". Die Medien publizieren seit Monaten Rückblicke auf die Heisei-Zeit, die ziemlich genau mit der wirtschaftlichen Stagnation zusammenfällt.

Heisei musste eine Reihe schwerer Erdbeben überstehen: 1995 in Kobe mit etwa 6000 Toten, 2011 in Nordost-Japan mit etwa 16 000 Tsunami-Toten und der Atomkatastrophe von Fukushima, außerdem in Niigata, auf Kyushu und Hokkaido. Auch die demographische Krise und die enorme Überschuldung des Staates haben Heisei geprägt. Dennoch blicken die Medien auf Heisei als auf eine glückliche und vor allem friedvolle Zeit zurück. Zugleich auf eine Zeit der Innovationen und auf etwas mehr Individualität als in den Epochen zuvor. Dieser Tage zelebriert Japan, wie jedes Frühjahr, die Kirschblüte, eine Zeit, in der die Menschen offener und fröhlicher sind als während des übrigen Jahres. Und da es die letzte Kirschblüte der Heisei-Zeit ist, feiern sie besonders innig.

Milliarden Formulare müssen nun neu gedruckt werden

Japan benennt seine Epochen seit dem 7. Jahrhundert mit zwei, ganz selten drei oder vier chinesischen Schriftzeichen. Nippon hat diese Form der Jahreszahl aus China übernommen, wie in jenem Jahrhundert die chinesische Kultur überhaupt, auch die Schrift. Allerdings waren die Epochen-Namen nicht an die Regenschaft der Kaiser gebunden. Das führte erst die sogenannte Meiji-Restauration ein, jene Oligarchen, die sich 1868 an die Macht putschten und Japan radikal modernisierten.

In ihrem Versuch, die Nation zu einen, zu mobilisieren und zu militarisieren, erhoben sie den Kaiser, zuvor ein zurückgezogener Hohepriester der Shinto-Religion, zum Staatsoberhaupt, zum Gott und zum Oberbefehlshaber der Armee. Damals ersetzte die Regierung auch den Begriff "Nengo" mit "Gengo". Die Silbe "nen" steht bloß für Jahr, die Silbe "gen" jedoch für "Ursprung, Anfang". Shigeji Ogura räumt ein, beides, die Anbindung der Jahreszählung an den Thron und die Umbennung in Gengo, sei geschehen, um die Autorität des Kaisers zu vergrößern.

Nach dem Zweiten Krieg verlor das Gengo an Bedeutung

In den mehr als tausend Jahren zuvor proklamierte der Shogun, Nippons erblicher Militärdiktator, eine neue Ära, wenn er dies für politisch nützlich hielt. Etwa nach Überschwemmungen oder einem Erdbeben. Damit verbannte er die Krise, das Leiden in die Vergangenheit. Kaiser Osahito hatte 1846 den Thron bestiegen. Eine neue Ära, Kaei, begann dagegen erst 1848. Er blieb 31 Jahre Kaiser, in dieser Zeit wechselte das Nengo sieben Mal. "Manen", die kürzeste Ära, dauerte nur elf Monate. Historisch wird er "Kaiser Komei" genannt, aber eine "Komei"-Ära gab es nie.

Nach Tokios Kapitulation im Zweiten Krieg verlor das Gengo an Bedeutung, Japan wollte zur Welt gehören. Doch mit dem wiedererlangten Selbstbewusstsein nach dem raschen Wiederaufbau zur Wirtschaftsmacht und den Konflikten mit Korea um die Geschichte wurde Japan wieder nationalistischer, vor allem seine Politiker. Und das Gengo damit wieder wichtiger. 1978 setzte die Regierung mit einem neuen Gengo-Gesetz dessen Gebrauch wieder durch. Sie wollte zeigen: Japan ist anders.

In den nächsten Wochen müssen Milliarden neue Formulare gedruckt werden. Die Computer brauchen ein Update. Mit einem Monat Vorlauf dürfte das keine besondere Herausforderung sein. Als Kaiser Hirohito, der Vater des nun abtretenden Akihito, am 7. Januar 1989 starb, ließ die Regierung Japan nur einen halben Tag Zeit, auf "Heisei" umzustellen. Dabei schreibt das "Gengo-Gesetz" von 1978 keinen Zeitpunkt vor, wann der Epochenwechsel stattfinde. Es wäre durchaus möglich - und weniger umständlich -, die neue Ära kalendarisch am folgenden ersten Januar beginnen zu lassen. Sollte der nächste Kaiser nicht abtreten, sondern auf dem Thron sterben, glaubt Professor Ogura, dann würde das Japan vor große Probleme stellen. Aber die Zukunft des Gengo sei ohnehin eher fraglich.

Zur SZ-Startseite
Sumo Japan Frauen

Japan
:Frauen müssen draußen bleiben

Egal ob im Sport oder bei kaiserlichen Zeremonien: In Japan werden Frauen immer noch in vielen Situationen an der Teilnahme wichtigen Ereignissen gehindert. Dies könnte auch Folgen bei der Thronbesteigung des neuen Kaisers haben.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: