Japan:Kaiser Hirohito, Gott Nummer 124

Kronprinz Hirohito, 1925

Hirohito (1901-1989) im Jahre 1925 als Kronprinz.

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Was wusste Kaiser Hirohito von Japans Kriegsverbrechen? Ein Rückblick auf den umstrittenen Tenno.

Christoph Neidhart

Japans Kaiser Hirohito war ein Jahrhundert-Monarch. Er wurde bereits 1921, als 20-Jähriger, Regent; sein Vater war instabil und krank. Gekrönt wurde Hirohito 1926. Der Showa-Kaiser, wie er in Japan heißt, blieb mehr als 63 Jahre Tenno, länger als jeder seiner 123 Vorgänger der - so der Mythos - seit 2600 Jahren ungebrochenen Yamato-Dynastie.

Hirohito war bis 1945 Kriegskaiser und damit vorübergehend Herrscher über ganz Ost- und Südostasien, anschließend wandelte er sich zum Friedenskaiser und konstitutionellen Monarchen.

Witze über den Kaiser

An der Metamorphose vom Kriegsherrn zum bescheidenen "Symbol des japanischen Volkes" entzünden sich bis heute Kontroversen. Die Apologeten Hirohitos behaupten, er habe nichts von den Gräueltaten der Japaner in Korea, China, Indochina, Thailand, Malaysia und im späteren Indonesien gewusst.

Als Staatsoberhaupt habe er Japans Aggressionskriege zwar zur Kenntnis genommen, doch hätten Regierung und Militärs ihn hinters Licht geführt. Sein Interesse galt der Meeresbiologie, in der er als Quallenforscher publizierte.

Diese Position machte sich etwa General Douglas MacArthur zu eigen. Der amerikanische Prokonsul während der Besatzung (1945 bis 1952), der selber der Autokratie zuneigte und mit Hirohito einen fast freundschaftlichen Umgang pflegte, insistierte, der Tenno müsse auf dem Thron bleiben, damit er zur Gallionsfigur der Demokratie werde.

MacArthur half zu verhindern, dass Hirohito und die Kaiserfamilie am Tokioter Kriegsverbrecher-Tribunal aussagen mussten. Oder gar angeklagt wurden. Heute meinen viele Historiker, direkt nach dem Krieg hätte eine Mehrheit der Japaner die Abschaffung der Monarchie gewünscht. Es kursierten sogar Witze über den Kaiser. Das ist heute wieder undenkbar.

Die Quellen, auf die sich etwa der Historiker Herbert Bix für seine Hirohito-Biografie berief, offenbaren ein anderes Bild: Der Kaiser ließ sich detailliert informieren, stellte skeptische, kluge Fragen und mahnte seine Minister am Vorabend der Angriffe auf die USA, die Briten und die Holländer, nicht jene Fehler zu wiederholen, die Japan in China gemacht hatte.

Als er im September 1941 die Kriegspläne mit Generalstabschef Hajime Sugiyama besprach, dazu gehörte die Attacke auf Pearl Harbor, beschwerte er sich, vor dem Angriff auf China 1937 habe ihm die Armee versichert, die Kampfhandlungen wären schnell vorbei. Aber der Feldzug dauerte 1941 noch immer an. Hirohito habe stets bedacht, was schief gehen könnte, schrieb Bix. Scheu, fast verklemmt und ein bedächtiger Denker, habe er wenig eigenen Input gegeben, dafür aber mit Charisma geführt.

Vom Gottkaiser zum Menschen

Zwischen der Position der Apologeten und der Darstellung von Bix, die eine Anklage beim Tokioter Tribunal gerechtfertigt hätte, gibt es eine Mittelposition: Sie hält Hirohito für einen Opportunisten, der sich von seiner militaristischen Regierung mitziehen ließ.

Hirohitos historischer Moment war die Verkündung der Kapitulation, die am 15. August 1945 mittags vom Radio ausgestrahlt wurde. Nur gebildete Japaner verstanden seine höfische Sprache, aber alle verstanden die Bedeutung: Nie zuvor hatten sie seine Stimme gehört. Über Nacht hatte sich ihr Gottkaiser in einen Menschen verwandelt, ihr Kriegskaiser in einen Demokraten und Friedensapostel.

Opportunistisch verhielt Hirohito sich sicherlich unmittelbar nach dem Krieg - schon um seine Haut und das Kaiserhaus zu retten. Mit seinen Auslandreisen bereitete er indes die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu mehreren Staaten vor. Und anders als viele japanischen Politiker bis heute, weigerte er sich, den Yasukuni-Schrein für Kriegsgefallene zu besuchen, seit dort auch japanischer Kriegsverbrecher gedacht wird.

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