Kaisertum in Japan:Die drei Fragezeichen des Tenno

Kaisertum in Japan: Inthronisierung von Vater und Sohn: Hirohito (li.) 1926 und Akihito 1990.

Inthronisierung von Vater und Sohn: Hirohito (li.) 1926 und Akihito 1990.

(Foto: AFP)
  • Die Insignien des japanischen Kaisertums existieren seit mehr als tausend Jahren - der Legende nach stammen sie von Göttern.
  • Doch außer dem Tenno weiß kaum jemand, wie die Symbole der Macht genau aussehen.
  • Lediglich zu den Krönungsfeierlichkeiten wie in diesen Tagen des Thronwechsels von Akihito zu Naruhito werden sie für die zeremonielle Übergabe hervorgeholt.

Von Sofia Glasl

Ohne sie wäre eine Monarchie nichts: funkelnde Edelsteine, glitzernde Kronen, glänzende Schwerter. Die Kronjuwelen eines Landes werden behütet und bewacht, aber auch gerne gezeigt - man denke nur an den im Tower of London ausgestellten Schatz des britischen Königtums.

Er ist der größte und berühmteste seiner Art. Tausende Touristen pilgern jährlich in den Tower, um ihn zu besichtigen. Die Insignien sind Herrschaftszeichen weltlicher und religiöser Würde und unterstreichen die erhabene soziale wie symbolische Macht ihres Trägers. Ihre feierliche Übergabe bei der Krönungszeremonie gehört zum Initiationsritus für den Potentaten.

Nicht nur in europäischen Monarchien werden solche bedeutungsvollen und kostbaren Zeichen gehortet und gepflegt, etwa christlich geprägte wie der mit einem Kreuz geschmückte Reichsapfel. In anderen Ländern gibt es ebenfalls besondere Insignien, beispielsweise in Thailand königliche Sandalen und Fächer.

Auch in Japan spielen diese Symbole der Macht eine wichtige Rolle, allerdings ohne Pomp und Prunk. Zwar existieren drei wichtige Herrschaftsinsignien, doch weiß außer dem Kaiser und wenigen Vertrauten niemand, wie sie aussehen. Japanische Bescheidenheit, könnte man meinen. Doch die ominösen Symbole sollen göttlicher Herkunft sein.

Daher werden sie, der japanischen Glaubensrichtung des Shintoismus entsprechend, in Schreinen aufbewahrt: Yasakani no Magatama, eine Jadekette, im heutigen Kaiserpalast in Tokio, Kusanagi no Tsurugi, ein Schwert, im Atsuta-Schrein in Nagoya und Yata no Kagami, ein Spiegel, im Schrein von Ise, etwas außerhalb der früheren Hauptstadt Kyoto.

Lediglich der Kaiser und seine engsten Mitarbeiter haben Zutritt, lediglich zu den Krönungsfeierlichkeiten wie in diesen Tagen des Thronwechsels von Akihito zu Naruhito werden sie für die zeremonielle Übergabe hervorgeholt - natürlich nur hinter verschlossenen Türen. Abbildungen existieren gar nicht, Beschreibungen sind lückenhaft.

Die Kette steht für Güte, das Schwert für Tapferkeit, der Spiegel für Weisheit

Trotzdem spielen die drei in der japanischen Kultur seit Gründung des Kaiserhauses eine zentrale Rolle. Sie stehen für seine Tugenden - das Schwert für Tapferkeit, der Spiegel für Weisheit und die Kette für Güte.

Nach der Gründungssage geschah die erste Thronbesteigung um 660 vor Christus, historische Quellen halten aber einen Import der drei Gegenstände vom asiatischen Festland her für wahrscheinlich, etwa um 300 nach Christus, also sehr viel später. In diesem Spannungsfeld aus historischer Geschichtsschreibung und Legendenbildung bewegen sich die geheimnisvollen Erzählungen.

Der quasi-göttliche Status des Tenno, des "himmlischen Herrschers", als oberster Shinto-Priester wird durch die Nicht-Greifbarkeit der Insignien noch verstärkt, denn was man nicht sehen kann, daran muss man glauben. Wo es wenig gesichertes Wissen gibt, entstehen Legenden. Die Verschränkung von Religion und Politik ist also in der Figur des Tenno kulturell tief verwurzelt.

Folgt man der Legende aus dem 8. Jahrhundert, versteckte sich einst die Sonnengöttin Amaterasu vor ihrem gewalttätigen Bruder, dem Ozeangott Susanoo, in einer Höhle. Da wurde die Erde dunkel. Um die Sonnengöttin wieder hervorzulocken, boten die anderen Gottheiten shintoistische Tänze dar und brachten ihr einen Spiegel und eine Edelsteinkette. Susanoo aber schenkte ihr das Schwert, das er im Kampf gegen eine achtköpfige Schlange aus deren Schwanz geschnitten hatte.

Amaterasu gab später ihrem Enkel Ninigi den Auftrag, über die Erde zu wachen und zu regieren - und vermachte ihm Halskette, Spiegel und Schwert. Ninigis Urenkel Jimmu wurde dann der erste Kaiser Japans. Seit seiner Krönung ist die Ahnenfolge ungebrochen und die drei Geschenke wurden die kaiserlichen Insignien.

In der historisch belegbaren Seeschlacht von Dan-no-ura im Jahr 1185 ging das Schwert vermutlich verloren, als der kindliche Kaiser Antoku in die Fluten sprang, um der Gefangenschaft zu entgehen. Kette und Spiegel wurden wiedergefunden, der Verbleib des Schwertes ist ungewiss - es ist nicht auszuschließen, dass im Schrein nur ein Replikat verwahrt wird.

Bis zum 15. Nachfahren Jimmus sind keine historischen Belege vorhanden. Wissenschaftler halten es für unwahrscheinlich, dass die Kaiserfamilie jemals Zugang zu den Insignien gewähren wird, denn es droht die Entmythisierung - nicht nur der drei Machtsymbole, sondern auch des gesamten Kaiserkults und der über 2500 Jahre währenden Dynastie. Sie ist jedoch für die nationale Identität Japans von substantieller Bedeutung.

Neue Kronjuwelen des Wirtschaftswunders

Auch wenn nationalistische Strömungen nach dem Zweiten Weltkrieg unterbunden wurden und der Kaiser seitdem nur noch zeremonielle Funktionen innehat, bleibt seine Position als direkter Nachkomme der sagenumwobenen Ahnen immer noch erhalten. Auch das die Thronfolge regelnde Kaiserhausgesetz besteht weiterhin auf der direkten Verknüpfung der Insignien mit dem Thron und somit auf dem shintoistischen Gründungsmythos Japans.

Die Sagen um die Symbole haben es sogar bis in Japans Popkultur geschafft: So heißt etwa die Heldin im Film "Ghost in the Shell" Kusanagi. Oder im Manga "Naruto" taucht das Schwert regelmäßig als Waffe auf, der Spiegel dient als magischer Schutzschild.

Diese Verankerung in der japanischen Kultur wird auch ironisch gebrochen: Zur Zeit des Wirtschaftswunders in den 50er-Jahren wurden Fernseher, Waschmaschine und Kühlschrank ähnlich heilig und in den Medien scherzhaft als die drei neuen Kronjuwelen bezeichnet. Wer weiß, vielleicht werden die Zeichen auch je nach wirtschaftlicher Lage regelmäßig getauscht. Überprüfen kann das niemand.

Aktualisierte Version des Textes aus der Print-SZ vom 3. September 2016

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