Die Zollverhandlungen mit den USA zu führen, muss für den japanischen Minister Ryosei Akazawa so etwas gewesen sein wie die Rolle seines Lebens. Und dass er diese Verhandlungen jetzt erfolgreich zum Abschuss bringen konnte, mag auf seine Kritiker wirken wie der Treffer eines Ungeübten.
Akazawa, 64, ist ein Vertrauter des umstrittenen Premierministers Shigeru Ishiba und wie dieser ein Mann der Provinz. In der Präfektur Tottori vertritt er den zweiten von zwei Wahlkreisen; Ishiba vertritt den ersten. Im Kosmos der Regierungspartei LDP war Akazawa lange ein eher kleines Licht. Bis Ishiba ihn im Oktober auf den wichtigen Ministerposten für wirtschaftliche Entwicklung setzte. Im April ernannte Ishiba ihn dann auch noch zum Verhandlungsführer im Zollstreit mit den USA.
Dieser unerfahrene Ishiba-Freund sollte den Amerika-first-Präsidenten Donald Trump zu einer japanfreundlicheren Politik bewegen? Viele waren skeptisch. Und zunächst klappte es ja auch nicht. Sieben Mal reiste Akazawa nach Washington. Ohne Erfolg. Aber dann meldete Akazawa am Mittwochmorgen japanischer Zeit nach der achten Verhandlungsrunde im Weißen Haus über den Kurznachrichtendienst X plötzlich: „Auftrag ausgeführt.“ Nur wenige Tage bevor am 1. August die Strafzölle der USA in Kraft treten, konnte Ryosei Akazawa eine Einigung präsentieren. Ein Triumph für den früheren Hinterbänkler aus Tottori.
Der Wohlstand hängt von der Autoindustrie ab
Dieser Mittwoch war ein Tag der Erleichterung für die Exportnation Japan. Trumps Regierung willigte ein, besagte Strafzölle auf japanische Produkte von 25 auf 15 Prozent zu senken. Auch die Zölle auf japanische Autos und Autoteile fallen von 25 auf 15 Prozent. Ein Traumergebnis war das sicher nicht. Am liebsten hätten die Japaner Trumps Autozölle ganz wegverhandelt. Ihr Wohlstand hängt nun mal von der heimischen Autoindustrie ab. Außerdem bleiben die 50 Prozent auf Stahl und Aluminium bestehen. Aber der Deal war ein klarer Fortschritt nach den Hängepartien der vergangenen Monate.
An der Börse in Tokio schnellten die Kurse in die Höhe. Premier Ishiba konnte etwas positive Energie verbreiten in Zeiten der Krise. „Froh“ sei er über den Deal, sagte er. Japan unterliege nun den niedrigsten US-Strafzöllen im Vergleich zu allen anderen Nationen, denen die Amerikaner ein Handelsdefizit vorwerfen. Der Nachlass auf Autoimporte sei der erste dieser Art, den Trump gewähre. „Seit Februar haben wir verhandelt“, sagte Ishiba, „unsere nationalen Interessen standen auf dem Spiel.“ Das Ergebnis sei erst durch diese Bemühungen möglich geworden.

Der Abschluss hatte allerdings auch für ihn selbst Konsequenzen. Ishiba verliert damit sein wichtigstes Argument, Premierminister bleiben zu müssen nach seiner jüngsten Wahlniederlage. Erst am Sonntag hatte seine Regierungskoalition die absolute Mehrheit im Oberhaus verloren – nachdem sie diese vor neun Monaten schon im Unterhaus verloren hatte. Viele Parteifreunde finden deshalb, dass Ishiba abtreten sollte. Am Montag sagte Ishiba, wegen des Zollstreits mit den USA könne er das nicht tun. Am Mittwoch klang er vorsichtiger. Auf die Frage nach seiner Zukunft sagte er, er werde darüber entscheiden, wenn die Umsetzung des Deals klarer sei.
Ishiba dementiert Berichte über seinen angeblich bevorstehenden Rücktritt
Aber dann berichteten japanische Medien mit Verweis auf Ishiba-Vertraute, dass der Premierminister seinen Entschluss schon gefasst habe. Ende August, nach den Gedenkveranstaltungen zum Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki und zum Ende des Zweiten Weltkriegs, werde er wohl seinen Rücktritt erklären. Wenn das stimmt, bräuchte Japan zum vierten Mal binnen fünf Jahren einen neuen Premierminister.
Ishiba dementierte die Berichte. „Es gab noch keine Gespräche über meine Zukunftspläne“, sagte er. Aber bis Ende August ist ja auch noch ein bisschen Zeit. Und tatsächlich war Ishibas Karriere am Mittwoch nicht das wichtigste Thema.
Der Deal war das wichtigste Thema. Genauer gesagt die Frage, wie Japans Einigung mit den USA im Detail aussieht. Und ob sie wirklich so großartig ist, wie vor allem Donald Trump behauptet.
Laut der Zeitung Nikkei Asia saß Ryosei Akazawa in Washington 70 Minuten mit dem US-Präsidenten zusammen. Anschließend meldete Trump über seinen Kurznachrichtendienst Truth Social einen „mächtigen Deal mit Japan, vielleicht den größten, der je gemacht wurde“. Japan werde 550 Milliarden Dollar in Amerika investieren, und Amerika erhalte „90 Prozent des Profits“. Trump schrieb, „Hunderttausende Jobs“ würden entstehen. Und: „Vielleicht am wichtigsten: Japan wird sein Land für den Handel öffnen, einschließlich für Autos, Lastwagen, Reis und bestimmte andere landwirtschaftliche Produkte.“
Die Reisbauern fühlen sich bedroht
In Tokio bestätigte Shigeru Ishiba die Summe von 550 Milliarden US-Dollar, knapp 470 Milliarden Euro. So viel würden japanische Unternehmen im Rahmen des Deals in die USA investieren, um Lieferketten „in Schlüsselbereichen der wirtschaftlichen Sicherheit aufzubauen“, darunter in den Bereichen Halbleiter, Stahl, Schiffbau und Energie. Und sonst?
Ishiba sagte nichts zu den amerikanischen Autos, die Japan laut Trump von nun an ins Land lassen will. Was hätte er auch sagen sollen? Japan erhebt keine Zölle auf Autoimporte. Dass in Japan kaum Autos aus den USA verkauft werden, liegt wohl eher daran, dass sie zu groß sind für die engen Stadtlandschaften dort und dass sie den sparsamen Japanern zu viel Benzin verbrauchen. Den Markt kann die Regierung in Tokio nicht ändern.
Dafür sagte Ishiba etwas zum amerikanischen Reis, der nach Trumps Aussage dem Geschäft der japanischen Landwirte mehr Konkurrenz machen könnte. Ishiba beruhigte Reisbauern, die das bedrohlich finden. Nach einer Vereinbarung mit der Welthandelsorganisation (WTO) muss Japan ohnehin 770 000 Tonnen Reis zollfrei ins Land lassen. Der größte Anteil daran kam bisher schon aus den USA. Im Rahmen des Deals will Japan diesen Anteil weiter erhöhen, aber nicht die Menge an zollfreiem Reis. Die heimische Landwirtschaft werde nicht beeinträchtigt, sagte Ishiba.
Reis ist Japans wichtigstes Getreide. Sieben Millionen Tonnen verbraucht die Nation jedes Jahr, hauptsächlich heimischen Reis. Dieses Jahr kam besonders viel US-Reis dazu, weil schwache Ernten und andere Gründe zu Engpässen und hohen Preisen geführt haben. Aber wenn Trump zuletzt über die angeblich so verwöhnten Japaner schimpfte, klagte er immer, dass sie Amerikas Reis nicht nehmen würden. Die falsche Behauptung war wohl einer der Gründe dafür, dass Japans Regierungsvertreter zuletzt wütender auf Trump waren, als sie nach außen zeigen konnten.
Und nun? Frieden? Hat der geduldige Chefverhandler Akazawa das Verhältnis zwischen Amerika und seinem wichtigsten Partner in Asien gerettet? Schwer zu sagen. Der Streit dürfte die Amerikaner in Tokio auf jeden Fall Vertrauen gekostet haben. Trump selbst muss irgendwann aufgefallen sein, dass er Japan nicht verprellen darf. Kein Land hat zuletzt mehr in die USA investiert. Japan ist außerdem ein wichtiger US-Sicherheitspartner gegen China. „Wir werden immer eine tolle Beziehung zum Land Japan haben“, schrieb Donald Trump in seiner Jubelnachricht auf Truth Social. Das las sich wie das Zugeständnis, dass auch sein Amerika Freunde braucht.

