Japan:Blick zurück im Zorn

Die Vergangenheit belastet das Verhältnis des Landes zu seinen Nachbarn. Und die Regierung tut nichts, das zu ändern. Im Gegenteil.

Von Christoph Neidhart

Tokio gibt sich einmal mehr pikiert. Wenn er, wie geplant, an der Siegesparade in Peking teilnehmen sollte, sei das schon zumindest "fragwürdig", lässt die japanische Regierung UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wissen. Die Festivitäten am Donnerstag "fokussieren unnötigerweise auf die Vergangenheit". Das tut das japanische Außenministerium freilich auch. Pünktlich zur Selbstfeier der KP Chinas hat es zusätzliche historische Dokumente auf seine Website gestellt, die beweisen sollen, dass die umstrittenen Senkaku-Inseln eindeutig Japan gehören. Und die von Südkorea kontrollierten Dokdo-Inseln ebenfalls.

Außerdem erklärt Japans Presse ihren Lesern derzeit ausführlich, dass Chinas Kommunisten wenig zum "Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression" beigetragen haben. Mao Zedong, der große Vorsitzende, habe das einst selbst zugegeben. Hätte Japan die Nationalisten nicht geschwächt, dann wäre es der KP 1949 kaum gelungen, sie nach Taiwan zu verjagen.

Seoul und Peking nähern sich immer weiter an. Und Tokio bleibt im Abseits

Ansonsten versucht Japan, den Pomp in Peking möglichst zu ignorieren. Mitte August hatte Premier Shinzo Abe in einer gewundenen Erklärung zwar sein "tiefstes Bedauern" über die Opfer der japanischen Kriegsführung in Asien ausgesprochen. Eine Entschuldigung hatte er aber vermieden. Damit ist für Tokio die Aufarbeitung der Geschichte vom Tisch. Japan will davon nichts mehr hören.

Ex-Wirtschaftsminister Toshihiro Nikai, Abes Verbindungsmann nach Peking, ermahnte seine Regierung unterdessen zur Zurückhaltung. Er machte kein Hehl aus seiner Ansicht, dass Tokio eine wesentliche Mitschuld an der derzeitigen Eiszeit mit Peking trägt. Abe wich diesem Thema aus. Er wolle eine zukunftsgerichtete Außenpolitik, sagte der Premier. Er soll sogar erwogen haben, für ein Treffen mit Chinas Präsident Xi Jinping nach Peking zu reisen - allerdings ohne an der Parade teilzunehmen. Aber er entschied sich dagegen.

Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye fuhr natürlich hin. Und kaum war sie am Mittwoch in Peking gelandet, wurde sie von Präsident Xi zum Gipfeltreffen empfangen. Sechsmal haben sich die beiden in den letzten zwei Jahren getroffen. In der Kriegsfrage sieht Seoul sich auf der Seite Pekings. Wie China wartet es bis heute darauf, dass Tokio sich ernsthaft für Greuel japanischer Soldaten im Zweiten Weltkrieg entschuldigt. Jedes Mal, wenn sich ein japanischer Spitzenpolitiker zu einer einsichtigeren Äußerung durchgerungen hatte, wurde dies bald widerrufen oder relativiert.

Tokio wiederum sieht es mit Missvergnügen, dass Park und Xi sich persönlich offenbar gut verstehen. Südkorea erhofft sich in Peking Unterstützung gegenüber Nordkorea. Außerdem wollen die beiden ihr Freihandelsabkommen rasch umsetzen. China ist bereits heute Südkoreas wichtigster Handelspartner.

Während China und Südkorea enger zusammenrücken, gerade auch wirtschaftlich, bleibt Japan einmal mehr im Abseits. Nun wird das zumindest in Tokio niemanden verwundern bei einer Parade, mit der Chinas Sieg über Japan gefeiert wird. Nur wäre es vielleicht gar nie zu einer derart pompösen Triumphfeier gekommen, wenn sich Japan schon vor Jahrzehnten seiner geschichtlichen Verantwortung gestellt hätte.

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