Janet Yellen:Neu entdeckte Liebe

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US-Präsident Donald Trump wollte seine derzeitige Notenbank-Chefin, eine linke Demokratin, eigentlich loswerden. Bisher zumindest.

Von Reymer Klüver

Geht es nach den Experten, den Ökonomen, Währungsanalysten und sonstigen Fachleuten für Gelddinge, ist die Lage klar. Der Auftritt von Janet Yellen beim Treffen der internationalen Finanzelite an diesem Wochenende in den Rocky Mountains von Jackson Hole wird ihr letzter als Fed-Chefin sein. Ende Januar 2018 geht ihre Amtszeit als Präsidentin der Federal Reserve, der amerikanischen Notenbank, zu Ende. Und Chancen auf eine zweite Amtszeit, wie sie bei ihren Vorgängern seit Jahrzehnten üblich war, billigen ihr nicht allzu viele zu. Nicht bei diesem Präsidenten, der dem Senat den Fed-Chef vorschlägt.

Erst Anfang der Woche veröffentlichte der angesehene Ökonomen-Verband National Association for Business Economics eine Umfrage unter Kollegen. Nur 17 Prozent halten es für wahrscheinlich, dass die 71-Jährige weitere vier Jahre an der Spitze der Fed bleibt. Die Hälfte indes glaubt, dass Gary Cohn, 56, ihr Nachfolger wird, Donald Trumps lautstarker finanzpolitischer Berater, ein Investmentbanker, zuletzt die Nummer zwei bei Goldman Sachs in New York. Auch in einer Umfrage der Nachrichtenagentur Bloomberg Ende Juli wurde Cohn als Favorit gehandelt. Politico, eine Website für Washingtoner Polit-Insider, zitierte einen Trump-Berater mit den Worten: "Wenn Gary will, wird er es."

Doch mit Experten-Meinungen ist es so eine Sache. Sie liegen auch gerne einmal daneben - erst recht bei Donald Trump, der Sprunghaftigkeit zu seinem Regierungsprinzip gemacht hat. Neulich hat er zwar seinen Finanzmann Cohn belobigt, "großen Respekt" habe er für ihn. Im selben Interview mit dem Wall Street Journal, noch immer das Zentralorgan der amerikanischen Finanzelite, war der Präsident aber auch der Anerkennung voll für die jetzige Fed-Chefin. Sie sei ein "Niedrig-Zins-Mensch. Ich mag sie". Denn wenn Trump eines nicht will, ist es, dass die Zinsen deutlich steigen, Kredite teurer werden und womöglich das Wachstum der amerikanischen Wirtschaft abbremsen könnten. Dabei hatte er Yellen im Wahlkampf noch heftig beschimpft. Aber das heißt bei Trump ja nicht viel.

Trumps Berater ist konservativen Republikanern verdächtig

Bei seiner Nachfolge-Entscheidung muss er indes zweierlei im Auge haben: die Finanzmärkte und den Senat. Die Märkte schätzen Unsicherheit nun einmal gar nicht, und erst recht nicht Ungewissheit über den künftigen Kurs der Fed. Bei der vorsichtigen Fed-Chefin wissen die Märkte, woran sie sind. Cohn ist zwar als ehemaliger Investmentbanker einer der ihren, aber er wäre seit Jahrzehnten der erste Notenbankchef, der kein Wirtschaftswissenschaftler ist: Seine währungspolitischen Vorstellungen kennt niemand.

Und dann ist da noch der Senat, der Trumps Kandidaten bestätigen muss. Yellen ist Demokratin, zumindest konservative republikanische Senatoren dürften bei ihr rebellieren. Aber ein Bündnis demokratischer und gemäßigter republikanischer Senatoren zu ihren Gunsten wäre denkbar. Bei Cohn ist die Lage schwieriger. Denn auch er ist den konservativen Republikanern als Banker und New Yorker grundsätzlich verdächtig. Und die Demokraten würden die Gelegenheit wohl kaum verstreichen lassen, dem Präsidenten eine Niederlage zuzufügen. Und so stehen Yellens Chancen am Ende doch nicht einmal so ganz schlecht, im kommenden Jahr wieder für ein Wochenende in die Rocky Mountains zu reisen.

© SZ vom 25.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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