Süddeutsche Zeitung

Jamaika-Verhandlungen:Strauß hilf!

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Warum die CSU jetzt von ihrem großen Ahnherrn lernen muss, um bei den Verhandlungen mit CDU, FDP und Grünen weiterzukommen.

Kommentar von Heribert Prantl

Regierungskunst beginnt, bevor das eigentliche Regieren anfängt. Sondierungs- und Koalitionsgespräche in schwieriger Situation sind Vor-Regierungskunst. Bei dieser Kunst versagt vornehmlich und vor allem die CSU. Ihre ziellose Sturheit ruft nach einem Gebrechlichkeitspfleger. Aber Horst Seehofer, der es sein könnte und sein müsste, ist selbst gebrechlich. Es fehlt der CSU ein Chefverhandler, der umfassende Autorität hat. Es fehlt ihr ein Verhandler, der nicht nur die Kraft zur Großmäuligkeit, sondern die Kraft zu Kompromissen hat - und die Kraft, diese Kompromisse der Partei zu vermitteln.

Ob die anderen Jamaika-Verhandler, zumal die Grünen, diese Kraft des Vermittelns haben werden, muss sich zeigen, wenn sie - hoffentlich bald - ihren Parteien Verhandlungsergebnisse präsentieren können; ihre Fähigkeit zum Kompromiss haben Grüne, CDU und FDP immerhin schon gezeigt.

Bei der CSU muss sich diese Fähigkeit noch zeigen. Wenn die CSU noch ein wenig Zeit braucht, um sie zu entwickeln - dann ist die Vertagung der Sondierungsgespräche eine gut investierte Zeit.

Es ist Zeit für den Kompromiss

Die CSU kann diese Zeit dafür nutzen, um bei Franz Josef Strauß nachzuschlagen, der zwischen Wahlkampf und praktischer Politik durchaus zu unterscheiden wusste. Ein kleines Beispiel, fast dreißig Jahre her: Schon 1988 hat Strauß, der ansonsten ein Grünen-Fresser war, in München die Wahl eines grünen Kommunalreferenten ermöglicht. Auf den Widerspruch zu seinen Reden über das "rot-grüne Chaos" angesprochen sagt er: "Vormittags machen wir Propaganda, und nachmittags Politik."

Dieses Wort könnte das CSU-Motto für die Fortsetzung der Sondierungsgespräche heute Nachmittag sein. Es ist Zeit für den Kompromiss. Es ist Zeit für Vor-Regierungskunst.

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