Jamaika-Sondierung:Niemand braucht eine Einigung mehr als Merkel

SondierungsgesprâÄ°che

Angela Merkels Schweigen bei den Sondierungsgesprächen wird ihr zunehmend als Schwäche ausgelegt - ergebnisloses Ringen gefährdet nicht nur die Interessen der Union, sondern auch die Kanzlerin selbst.

(Foto: dpa)
  • In der Union mosern die ersten, die Kanzlerin sollte sich bei den Jamaika-Verhandlungen endlich stärker für die Positionen der CDU einsetzen.
  • Die Merkel-Vertraute Schavan muss ihre Ambitionen auf den Vorsitz der Konrad-Adenauer-Stiftung aufgeben und von Merkels Generalsekretär Tauber wird der Rücktritt gefordert.
  • Doch im Gegensatz zu CSU-Chef Seehofer muss Merkel nicht um ihre Ämter fürchten.

Von Robert Roßmann, Berlin

Angela Merkel ist einiges gewohnt. Die Frau hat an Dutzenden von EU-Gipfeln voller scheinbar unlösbarer Probleme teilgenommen - in der Regel mit Erfolg. Aber die Sondierungen für die Jamaika-Koalition scheinen auch für die Kanzlerin eine besondere Herausforderung zu sein. Mehr als drei Wochen treffen sich die Verhandler jetzt schon, aber es zeichnet sich immer noch kein konkretes Endergebnis ab. Und immer mehr fragen sich, ob das auch an Merkel liegt. Müsste die CDU-Vorsitzende nicht stärker führen, statt - wie bisher - eher präsidial zu moderieren?

In der Union mosern bereits die ersten, Merkel sollte sich endlich stärker für die Positionen der CDU einsetzen. FDP, Grüne und CSU würden ohne Unterlass ihre Forderungen kundtun, während die Kanzlerin auffällig schweige. Die CDU müsse aufpassen, dass sie am Ende in einer Koalition nicht nur die Funktion des "Bindegewebes" habe - dass sie also die Kanzlerin stellt, ansonsten aber kaum etwas durchsetzt, weil sich Merkel vor allem um das Befrieden der Konflikte zwischen den drei kleinen Parteien kümmere.

Die Kanzlerin sieht das naturgemäß anders. Jeder der vier Partner müsse in einer Koalition "seine Identität zur Geltung bringen können", damit daraus "etwas Gutes für das Land" entstehen könne, hat Merkel bereits vor eineinhalb Wochen gesagt. Außerdem befürchtet sie, dass zu laute Forderungen der CDU schnell als rote Linien verstanden werden könnten, die eine Einigung mit den anderen Parteien ohne Not erschweren könnten. Und niemand braucht eine Einigung mehr als Merkel. Es ist schließlich sie, die auch mit den Stimmen von Grünen, FDP und CSU wieder zur Kanzlerin gewählt werden will.

Die CSU ist in desolatem Zustand

Außerdem zeigt die Erfahrung mit den letzten Regierungen, dass man einen Koalitionsvertrag auch nicht überbewerten darf. Als Union und SPD 2013 über einen gemeinsame Regierung verhandelten, waren weder der Einmarsch der Russen in die Ukraine, noch der Brexit, die Trump-Wahl oder das Flüchtlingsjahr 2015 absehbar. Bei dem Umgang mit all diesen Themen kam es dann aber nicht auf den Koalitionsvertrag an, sondern auf die Kanzlerin. Auch deshalb geben sich Merkels Leute derzeit noch relativ entspannt.

So richtig gut läuft es für die CDU-Chefin aber trotzdem nicht. Die ersten Umfrageinstitute sehen die Union nur noch bei 30 Prozent, das ist der niedrigste Stand seit sechs Jahren. Die CSU ist gerade in einem desolaten Zustand, was Merkels Lage nicht verbessert. Anstrengender als eine selbstbewusste CSU ist nur eine waidwunde CSU. Auch in der CDU rumort es.

Annette Schavan musste gerade ihre Ambitionen auf den Vorsitz der Konrad-Adenauer-Stiftung aufgeben. Zu groß war der Widerstand gegen die ehemalige Bildungsministerin und stellvertretende CDU-Vorsitzende. Die langjährige Merkel-Vertraute scheiterte nicht nur wegen ihrer Plagiatsaffäre, sondern auch, weil sie Merkel so nahe steht. Die Zeit, in der die CDU ihrer Vorsitzenden die Wünsche von den Lippen abgelesen hat, ist vorbei.

Generalsekretär Tauber unter Druck

Auch Merkels Generalsekretär Peter Tauber steht mächtig unter Druck. Auf dem Deutschlandtag der Jungen Union (JU) Anfang Oktober wurde er bereits ausgebuht. Am vergangenen Wochenende verabschiedete der Landestag der JU Baden-Württemberg sogar einen Antrag, in dem der Rücktritt des Generalsekretärs verlangt wird. Die Delegierten nahmen keine Rücksicht darauf, dass Tauber erkrankt ist, sie fertigten ihn sogar in einem besonders rüden Ton ab.

In dem Antrag wird gefordert, dass der Generalsekretär nach einem Rücktritt auch kein anderes Amt bekommen soll. "Es darf nicht sein, dass aus Versagen im Amt des Generalsekretärs ein Staatssekretär- oder Ministerposten erwächst", heißt es zur Begründung. Tauber hat zwar einige Fehler gemacht, er ist in der Partei nicht unumstritten. Er bekommt aber auch Prügel dafür, Merkels Mann im Adenauer-Haus zu sein. An Generalsekretären arbeiten sich auch in anderen Parteien traditionell all jene ab, die die Vorsitzenden treffen wollen, sich aber noch nicht direkt an die Chefs rantrauen.

Als ob das alles nicht schon genug wäre, trafen sich am vergangenen Wochenende auch noch die im "Berliner Kreis" organisierten konservativen Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU sowie die in der "WerteUnion" zusammengeschlossenen konservativen CDU-Mitglieder-Initiativen. Sie verlangten eine "schonungslose Analyse" des schlechten Wahlergebnisses und machten dabei ziemlich klar, was beziehungsweise wen sie für das Resultat verantwortlich machen: Die Flüchtlingspolitik der Regierung - und damit Merkel.

Der Kanzlerin geht es zwar nicht wie Horst Seehofer, der um seine Ämter kämpfen muss. Es wäre keine Überraschung, wenn der CSU-Chef in den nächsten Wochen mitteilt, dass er nicht noch einmal als Ministerpräsident antreten will - und gleichzeitig seinen Innenminister Joachim Herrmann als Spitzenkandidaten und damit vermutlich nächsten Ministerpräsidenten vorschlägt.

Damit könnte Seehofer vielleicht doch noch Markus Söder als seinen Nachfolger verhindern, vor allem aber so viel Druck aus der Personaldebatte nehmen, dass er - zumindest vorerst - CSU-Chef bleiben kann. Merkel muss sich dagegen, trotz aller Kritik in der Union, noch keine Sorgen machen, dass jemand nach ihren Ämtern greift. Damit das so bleibt, muss sie die Jamaika-Koalition jetzt aber auch tatsächlich zustande bringen.

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