Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein:"Man muss sich etwas gönnen"

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Die Verhandlungsführer Heiner Garg (links, FDP), Monika Heinold (Grüne) und Daniel Günther (CDU) 2017 in Kiel. (Foto: Carsten Rehder/picture alliance)

Wie sich Union, Grüne und FDP bei den Jamaika-Verhandlungen in Kiel einigten und warum sie seit vier Jahren gut zusammenarbeiten.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Im deutschen Norden gibt es Jamaika schon seit gut vier Jahren, das Experiment begann Ende Juni 2017. Anfang Mai 2017 hatte die CDU mit Daniel Günther die Landtagswahl in Schleswig-Holstein gewonnen, es war das Ende der sogenannten Küsten-Koalition aus SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW). Die Grünen wechselten das Lager, so entstand das Bündnis aus Union, Grünen und FDP, angeführt von Ministerpräsident Günther.

Monika Heinold von den Grünen war vorher und nachher dabei, sie kennt sich aus. Sie war Finanzministerin im Küsten-Kabinett und ist es im Jamaika-Kabinett, sie leitete für die Grünen sogar die Verhandlungen. Sie will das jetzt nicht auf die Visionen von Armin Laschet übertragen und wundert sich am Telefon darüber, "dass die CDU überhaupt den Machtanspruch stellt, weil sie nun sehr erkennbar Wahlverlierer ist. Wahlgewinner ist unter anderem die SPD." Aber gut, Monika Heinold kann erklären, wie Jamaika zwischen den Meeren zustande kam und warum es bislang hält.

Es ist eine Geschichte von Interessen und Psychologie. Die SPD mit ihrem damaligen Fraktionsvorsitzenden Ralf Stegner wollte eine Ampel mit Grünen und FDP, es waren umgekehrte Vorzeichen wie heute in Berlin. Monika Heinold mag es nicht, "wenn Wahlsieger in der Opposition landen und Wahlverlierer die Regierung anführen". Günthers CDU war der Wahlsieger, und die Grünen mochten nicht in die Opposition, sie hatten anders als die SPD nicht verloren. Sie versuchten es mit CDU und FDP, obwohl das Trio im Saarland Jahre zuvor rasch zerfallen war.

Wieso gelang es in Kiel? Weil die drei Parteien wollten und sich an Vorgaben hielten. Bei Dreierkoalitionen, erläutert Monika Heinold, komme es darauf an, "dass Sie keine Verliererin und keinen Verlierer haben, dass das eine ernstgemeinte Partnerschaft ist. Man muss sich etwas gönnen. Das muss von Anfang an klar sein, unabhängig von den Prozenten, dass alle drei auf der gleichen Augenhöhe sind, dass Argumente wirklich ausgetauscht und gehört werden."

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Handys blieben draußen, Interna drinnen

Es hilft, wenn die Verhandler sich verstehen. Zu den Koalitionsgesprächen trafen sich damals Daniel Günther von der CDU, Monika Heinold von den Grünen und Heiner Garg von der FDP, der heutige Minister für Soziales und Gesundheit. In der erweiterten Runde waren unter anderem Robert Habeck und Wolfgang Kubicki dabei. "Die Frage des Umgangs miteinander, des Respekts und der täglichen Geduld, das ist rein eine Frage von Personen und Persönlichkeiten", sagt die Grünen-Ministerin Heinold. Daniel Günther, einst konservativ, schaffte es als pragmatischer Jamaikaner in die Staatskanzlei an der Kieler Förde. Die Grünen blieben in der Regierung, die FDP kam hinein.

Mal war die Debatte ein, zwei Tage unterbrochen worden, man stritt über die Verkehrspolitik. Doch es ging immer wieder weiter, anders als nachher in Berlin, wo Christian Lindner ausstieg. Was auch damit zu tun hatte, dass in Kiel die Handys draußen blieben und die Interna drinnen. "Es gehört dazu, dass die Dinge besprochen werden und so lange im Raum bleiben, bis man vereinbart, den Raum zu öffnen", sagt Monika Heinold. "Das zeichnet das Miteinander statt das Gegeneinander aus."

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Darauf sei ein Dreierbündnis angewiesen. Und darauf, dass nicht jeder Zoff zum Bruch führt. Es ist ein tägliches Ringen, "wir kommen aus drei sehr unterschiedlichen Richtungen", sagt Monika Heinold. Verkehr, Wirtschaft, zuletzt das Gendern. CDU-Bildungsministerin Karin Prien gab einen Erlass gegen das Gendern heraus, die Grünen waren empört. "Würde so etwas Tagesgeschäft sein, dann würde ich auch nicht mehr so fröhlich über Jamaika berichten", sagt Monika Heinold. Es war Wahlkampf. Jetzt, nach dem Wahlkampf, ist Günther für Jamaika im Bund, was soll er tun. Bald ist wieder Wahlkampf, in Schleswig-Holstein wird im Mai 2022 gewählt.

Noch mal die Farben der Karibikinsel? Zurück zu SPD und SSW? Bislang hat die bei der Basis erst unbeliebte Kombination mit Schwarz und Gelb den Grünen nicht geschadet - 18,3 Prozent bei der Bundestagswahl in Schleswig-Holstein, Habeck eroberte den Wahlkreis 1. Bei der Küsten-Koalition seien sie sich inhaltlich näher gewesen, sagt Monika Heinold, bei Jamaika müsse man mehr diskutieren. "Der Vorteil: Wenn wir dann etwas geeint haben, dann ist das schon fast so eine Art gesellschaftlicher Kompromiss."

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