Jamaika im Saarland:Hubert Ulrich, der Schwampel-Macher

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Jamaika ausgerechnet im Saarland: Kommt es erstmals in Deutschland zu diesem Regierungsbündnis, haben CDU und FDP das vor allem dem Landesvorsitzenden der Grünen zu verdanken. Ein Portrait.

Als durchsetzungsfähig galt Hubert Ulrich schon immer. Aber einen ganzen Landesverband fast im Alleingang davon zu überzeugen, dass der angestrebte Politikwechsel besser mit dem bisherigen Ministerpräsidenten Peter Müller als mit SPD und Linken zu erreichen ist, hätte ihm vor einigen Wochen kaum jemand zugetraut.

Saarlands Grünen-Chef Hubert Ulrich macht Jamaika oder die Schwampel möglich (Foto: Foto: dpa)

Zur tragischen Figur würde der hochgewachsene 51-Jährige damit vor allem den SPD-Chef Heiko Maas machen, der sicher mit einer rot-rot-grünen Regierung unter seiner Führung gerechnet hatte. Dabei vertraute Maas auf das immer wiederkehrende Bekenntnis von Ulrich, er wolle lieber ihn als Müller zum Regierungschef wählen. Noch schlimmer für den SPD-Landesvorsitzenden: Oskar Lafontaine könnte nun im Nachhinein mit seiner Vorhersage Recht behalten, wer "grün" wähle, werde sich "schwarz ärgern".

Allerdings hatte Maas offenbar die Warnungen Ulrichs unterschätzt, er habe erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit der Lafontaine-Truppe. Zudem machte der Grünen-Chef nie einen Hehl aus seiner tiefen persönlichen Abneigung gegen den obersten Linken und einige seiner Mitstreiter vor allem aus dem Dunstkreis einer übergetretenen Ex-Parteifreundin.

Weitreichende Versprechungen erreicht

Aber auch Müller und die neuen FDP-Verbündeten erhielten bereits erste Kostproben von der Hartnäckigkeit und Zähigkeit des 51-jährigen Wirtschaftsingenieurs, der früher in seiner Freizeit beim American Football seine Knochen hinhielt. Zunächst bewegte Ulrich sie in den Sondierungsgesprächen zu Zugeständnissen, die selbst die grüne Basis nie für möglich gehalten hätte. Dann ließ er ich dies auch noch vor wenigen Tagen per Rundfax mit Unterschriften bestätigen, damit niemand in die Versuchung kommen könnte, nach der Grundsatzentscheidung der Grünen wieder die Daumenschrauben anzuziehen und hinter die abgesprochenen Positionen zurückzufallen.

Vor allem im Bildungsbereich hat die grüne Verhandlungskommission weitreichende Versprechungen wie längeres gemeinsames Lernen und die Abschaffung der Studiengebühren erreicht. Gerade in diesem Punkt wollte Ulrich auf keinen Fall Kompromisse eingehen und begründete dies auch mit eigenen Erfahrungen: Selbst "am sozialen Brennpunkt groß geworden", lernte Ulrich nach der Hauptschule Werkzeugmacher, holte dann die höheren Bildungsabschlüsse nach und arbeitete schließlich nach dem Studium in der Software-Branche. "Hätte es zu meiner Zeit Studiengebühren gegeben, glaube ich nicht, dass ich mein Studium so hingekriegt hätte", gibt sich Ulrich überzeugt.

Bei der schwierigen Entscheidung für ein Lager ist ihm offenbar auch die Freiheit zugute gekommen, die er sich durch den frühen Verzicht auf ein Ministeramt verschafft hatte. Auch damit hatte er Freund und Feind überrascht. Jahrelang hatten ihm Gegner hinter vorgehaltener Hand nachgesagt, er sei machtbesessen und weniger an Inhalten als an Regierungsposten interessiert.

Gegen ständige Terminzwänge

Als einziger Spitzenkandidat der Landtagsparteien gab er jedoch früh zu Protokoll, er sehe als Fraktionsvorsitzender größere politische Gestaltungsmöglichkeiten. Gerade zum vierten Mal Vater geworden will sich Ulrich aber neben der Politik auch ein Stück Lebensqualität ohne ständige Terminzwänge erhalten.

Mit ihm als grünem Kraftzentrum ist jedenfalls auch in Zukunft zu rechnen. Mit nunmehr - einmal kurz unterbrochenen - 15 Jahren Landesvorsitz und zehn Jahren Landtagserfahrung gehört er schon fast zum Urgestein saarländischer Landespolitik. Seine künftigen Partner wissen, dass er sich nicht so schnell weich klopfen lässt.

Diese Erfahrung musste sogar der machtbewusste Bundeskanzler Gerhard Schröder machen, als Ulrich für drei Jahre dem Bundestag in Berlin angehörte und wegen seiner Ablehnung von Kohle-Subventionen als einziger Abgeordneter aus der rot-grünen Koalition gegen den Haushalt für das Jahr 2004 stimmte.

© AP, Michael Kuderna - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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