Jahrzehnt des Wassers:Tröpfchenweise Hilfe

Eine Milliarde Menschen haben kein sauberes Wasser und brauchen deshalb die Industriestaaten.

Von Tanjev Schultz

Verschwendung, wohin man sieht: In die Produktion nur eines Kilogramms Käse fließen 5000 Liter Wasser, die Fertigung eines Autos verschlingt bis zu 400 000 Liter.

Kind am Wasserhahn

Kind in Kapstadt, Südafrika

(Foto: Foto: Reuters)

Amerikaner verbrauchen allein wegen ihres hohen Rindfleischkonsums im Durchschnitt etwa 2000 Liter Wasser pro Tag und Kopf, heißt es in einem neuen Report des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie.

Während weltweit 400 Millionen Kinder mit weniger als 20 Liter frischem Wasser am Tag auskommen müssen, spült ein Deutscher täglich gut 30 Liter einfach durch die Toilette.

"Dekade des Handelns"

Mehr als eine Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, fast zweieinhalb Milliarden leben ohne Abwasserentsorgung.

In weiten Teilen Asiens und Afrikas leben Millionen Menschen in dauernder Gefahr, beim Waschen von Egeln oder Würmern befallen zu werden, die sich im Darm ausbreiten oder die Haut durchbohren und die Lymphbahnen emporklettern, um sich in der Lunge und im Gehirn festzusetzen.

Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass 80 Prozent aller Krankheiten in Entwicklungsländern mit der Nutzung schmutzigen Wassers zusammenhängen. Nach Angaben von Unicef müssen deshalb täglich 4000 Kinder sterben.

Am Dienstag haben die UN ein internationales Jahrzehnt des Wassers ausgerufen, um den Zielen Nachdruck zu verleihen, die sie bereits auf dem Milleniums-Gipfel im Jahr 2000 vereinbart hatten. Bis 2015 will die Weltgemeinschaft die Zahl der Menschen, die ohne Zugang zu sanitären Anlagen und sauberem Trinkwasser sind, auf die Hälfte reduzieren.

Freilich haben die Vereinten Nationen schon oft wohlfeile Ziele formuliert, ohne dass diese die Politik beeindruckt hätten. Und deshalb verlangt die Resolution, mit der die Generalversammlung das Jahrzehnt "Wasser fürs Leben" ausgerufen hat, ausdrücklich eine "Dekade des Handelns".

Fortschritte in Asien

Was das Geld betrifft, an dem hier wie so oft vieles hängt und scheitert, findet sich allerdings nur der Hinweis, die UN-Organisationen mögen "bestehende Ressourcen und freiwillige Mittel" nutzen. Nach Berechnungen der Weltbank wären jährlich 20 Milliarden Dollar nötig, um die Milleniumsziele zu erreichen.

In den vergangenen Jahren verzeichnet die UN zwar einige Fortschritte. So stieg der Anteil der Menschen, die in Asien Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, von 71 Prozent im Jahr 1990 auf heute 84 Prozent. Dennoch müssen allein 288 Millionen Chinesen ohne frisches Wasser auskommen, etwa so viele wie in ganz Afrika.

Dort ist die Situation am schlimmsten südlich der Sahara, wo nach Angaben von Unicef jedes fünfte Kind stirbt, bevor es fünf Jahre alt wird.

Deutschland leistet jährlich einen Beitrag in Höhe von 350 Millionen Euro zum Aufbau einer weltweiten Wasserversorgung und zählt damit zu den größten Geberländern. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sieht aber die ärmeren Länder ebenfalls in der Pflicht.

Tröpfchenweise Hilfe

"Auch in den Entwicklungsländern müssen sich die Prioritäten wandeln. Da muss noch mehr Geld in den Wassersektor fließen", fordert die Parlamentarische Staatssekretärin Uschi Eid (Grüne). Sie ist Mitglied in einem neuen UN-Gremium, das Generalsekretär Kofi Annan in wasserpolitischen Fragen beraten soll.

Lange Fußmärsche zur Wasserstelle

Mit einer besseren Wasserversorgung will Eid die Menschen nicht nur vor Krankheit und Tod bewahren. Kinder, die schmutziges Wasser trinken, seien so geschwächt, dass sie kaum am Schulunterricht teilnehmen könnten.

Außerdem gehe es um eine Entlastung der Frauen, die vielerorts fürs Wasserholen zuständig seien und dafür mitunter lange Fußmärsche auf sich nehmen müssten. Bei den deutschen Projekten in Afrika gebe es die Bedingung, dass kommunale Wasserkomitees zur Hälfte mit Frauen besetzt werden, sagt Eid.

Unglaubliche Energieverschwendung

Während Hans-Jürgen Leist die Infrastrukturhilfe in Afrika für sinnvoll hält, zweifelt er am Sinn des Wassersparens in Deutschland. Wasser sei eben kein mobiles Gut, meint der Experte von der Forschungsstelle für Recht, Ökonomie und Umwelt an der Universität Hannover. Man könne den Armen nicht helfen, wenn man Wasser spare.

Dagegen bestehe ein Zusammenhang zwischen dem großen Energieverbrauch im Norden und der Wassernot im Süden. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe heize den Treibhauseffekt an, der wiederum den Wasserkreislauf störe. In Deutschland werde unglaublich viel Energie verschwendet, klagt Leist. Das sei schlimmer als der Wasserverbrauch.

Allein durch den Stand-by-Betrieb von Elektrogeräten verschleuderten die Deutschen mehrere Milliarden Kilowattstunden Strom im Jahr - und wie beim Wasser, das in Konsumgütern steckt, bemerken die wenigsten diesen Verbrauch.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: