Jahrestag der Pogromnacht:Licht über der Dunkelheit des Hasses

Themenpaket Reichspogromnacht -Judenverfolgung

Die Entrechtung begann schon vor der Pogromnacht 1938: SA-Männer kleben Hetzplakate an ein jüdisches Geschäft.

(Foto: dpa/picture-alliance/ dpa)

Es ist ein Warnruf, vor allem an die junge Generation: An diesem Montagabend sollen weltweit die Lichter nicht gelöscht werden, als Zeichen gegen den zunehmenden Antisemitismus. Die Aktion einer Organisation von Holocaust-Überlebenden wendet sich aber auch gegen jegliche Diskriminierungen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Eve Kugler war sieben Jahre, als in jener Nacht in Halle an der Saale fünf Nazis in ihr Haus kamen, angeführt vom örtlichen Polizeichef. "Ich habe in der Tür zum Kinderzimmer gestanden, und einer von ihnen hat noch zu meiner Mutter gesagt: ,Das Kind muss das nicht sehen'." Gesehen hat sie dann, wie die Eindringlinge die ganze Wohnung verwüstet haben, wie sie aus der Torah des Großvaters Seiten herausrissen, wie sie schließlich den Vater abführten und das ganze Leben ihrer jüdischen Familie aus den Angeln hoben.

Es war die Pogromnacht vom 9. November 1938 - und zum 82. Jahrestag an diesem Montag wird Eve Kugler in ihrem Haus in England nachts das Licht brennen lassen. Zur Erinnerung und zur Mahnung.

Auch Kirchen und Moscheen sollen leuchten

Eve Kugler wird damit nicht allein sein. Unter dem Motto "Es werde Licht" ruft die internationale Holocaust-Überlebenden-Organisation "Marsch der Lebenden" in diesem Jahr weltweit die Menschen auf, zum Gedenktag "Licht erstrahlen zu lassen über der Dunkelheit des Hasses". Hell leuchten sollen neben privaten Wohnungen auch Gebetshäuser rund um den Globus: Synagogen, Kirchen, Moscheen und Tempel. Zudem werden Gläubige aus aller Welt aufgerufen, über eine Webseite persönliche Botschaften des Friedens und der Toleranz zu schicken, die dann am 9. November auf die Altstadtmauern in Jerusalem projiziert werden.

"Das ist ein Warnruf", sagt Shmuel Rosenman, Vorsitzender von "Marsch der Lebenden International". Der in Israel wohnende 82-Jährige beobachtet mit größter Sorge "ein Anwachsen des Antisemitismus, besonders in Europa, aber nicht nur in Europa". Mit der Lichtaktion zur Pogromnacht hofft er, vor allem viele junge Leute zu erreichen. "Es ist ein Aufruf an die vierte Generation, nicht an der Seitenlinie zu stehen, sondern aktiv den Hass zu bekämpfen."

Ein zentraler Gedenkort ist Frankfurt

Ein zentraler Ort des Lichter-Gedenkens soll die Synagoge im Frankfurter Westend sein, die als einziges jüdisches Gotteshaus der Stadt die Pogromnacht unbeschadet überstanden hatte. "Insgesamt sind in dieser Nacht 1400 Synagogen in Deutschland und Österreich zerstört worden", erklärt Rosenmann. "Es ist ein starkes Zeichen, wenn nun die Frankfurter Synagoge hell erstrahlt."

Rachel Heuberger, Historikerin und Gemeinderätin der Frankfurter jüdischen Gemeinde, betont, dass "Frankfurt stolz ist mitzumachen bei dieser wichtigen internationalen Initiative". Das Erinnern sei wichtig, sagt sie, aber es gehe noch um mehr: "Die Botschaft ist, dass jede Form von Diskriminierung auch heute die ganze Gesellschaft gefährdet".

Eve Kugler wird von England aus in dieser Nacht also auch wieder mit Frankfurt, mit Deutschland verbunden sein. Erst 1998, 60 Jahre nach Flucht und Vertreibung ihrer Familie, war sie zum ersten Mal zurückgekehrt. Als sie im vorigen Jahr vom Anschlag auf die Synagoge in ihrer Heimatstadt Halle hörte, war das ein furchtbarer Schock. "Es hat sich angefühlt, als wäre es mir passiert, als würde meine Familie wieder angegriffen", sagt sie. Auch deshalb setzt sie nun auf die Botschaft der Lichter zum Gedenktag. "Denn wenn die Leute das vergessen, kann sich die Geschichte wiederholen."

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