Das Jahr 2017 beginnt mit einem Terroranschlag: In der Silvesternacht dringt ein bewaffneter Angreifer in den Istanbuler Nachtclub Reina ein und erschießt 39 Menschen. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" reklamiert die Tat für sich. Das Reina war besonders bei Touristen beliebt.
"Das war das größte Publikum, das jemals bei einer Vereidigung dabei war, sowohl vor Ort als auch weltweit, punktaus." So kommentiert der frisch vereidigte US-Präsident Donald Trump die Zuschauerzahlen bei seiner Amtseinführung. Bilder von der Vereidigung seines Vorgängers Barack Obama (rechts) belegen das Gegenteil.
Bundespräsident? Nein, danke! Gleich mehrere Kandidaten hatten sich vor dem Amt gedrückt. Schließlich fiel die Wahl auf den ehemaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Es ist die Krönung eines politischen Lebens und dennoch wird der Jobwechsel von vielen Kommentatoren als Abstieg gewertet: Eine Degradierung vom omnipräsenten Chefdiplomaten und obersten Konfliktschlichter zum präsidialen Händeschüttler und Bändchendurchschneider. Wer hätte ahnen können, dass auf Steinmeier schon bald mehr Verantwortung zukommen würde als auf alle seine Vorgänger. Nach dem Scheitern der Sondierungen von Union, FDP und Grünen ist er der Krisenmanager.
Wenn es nach Recep Tayyip Erdoğan geht, geht in der Türkei bald alles nach Recep Tayyip Erdoğan. Monatelang wirbt er für eine Verfassungsreform, die in der Türkei ein Präsidialsystem einführen und ihm die uneingeschränkte Macht im Land verleihen soll. Auch in Deutschland wirbt die türkische Regierung für ihr Vorhaben. Hier, im nordrheinwestfälischen Oberhausen, kommen Zehntausende, um den türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım zu hören. Am Ende stimmen die türkischen Wähler knapp für die Verfassungsreform.
"Rücktritt" und "Diebe" rufen dagegen die Menschen bei Protesten in der rumänischen Hauptstadt Bukarest Anfang Februar. Insgesamt gehen etwa eine halbe Million Menschen auf die Straße, um gegen die Regierung zu demonstrieren. Hintergrund ist eine umstrittene Eilverordnung, die es schwieriger machen sollte, Fälle von Amtsmissbrauch zu bestrafen. Die regierende Sozialdemokratische Partei (PSD) argumentierte, sie wolle damit die überbelegten Gefängnisse entlasten und die Strafgesetze mit der Verfassung in Einklang bringen. Allerdings hätten von der Verordnung auch zahlreiche PSD-Politiker und Behördenvertreter profitiert. Die Regierung zieht die Eilverordnung nach den Protesten wieder zurück.
Im März nimmt der Bundestagswahlkampf endlich Fahrt auf. Parteichef Sigmar Gabriel hat sich nach langem Zögern und Hadern entschlossen, nicht selbst als Kanzlerkandidat für die Sozialdemokraten ins Rennen zu gehen und nominiert seinen Parteifreund Martin Schulz. Innerhalb von Tagen explodieren die Zustimmungswerte der SPD förmlich, die Genossen schöpfen neue Hoffnung und feiern Schulz als Retter der Sozialdemokratie.
Erdrutsch-Sieg in Frankreich: Emmanuel Macron gewinnt mit seiner Bürgerbewegung En Marche die Präsidentschaftswahlen. Die alten Volksparteien werden förmlich weggespült. Die Sozialisten, die mit Hollande zuvor noch den Präsidenten gestellt hatten, erreichen nur noch sechs Prozent. Die Republikaner erhalten immerhin noch 20 Prozent.
Für die britische Premierministerin Theresa May wird die Wahl am 9. Juni dagegen zu einer Blamage. Ihre Partei verliert die absolute Mehrheit im Parlament. Und dass, obwohl die Tories laut Umfragen im April noch weit vorne lagen. Schuld an dem Ergebnis war nach Ansicht vieler Beobachter nicht nur Mays eigene, defensive Kampagne, sondern vor allem die zunehmende Popularität ihres Herausforderers Jeremy Corbyn von der Labour-Partei. Großbritannien hat nach der Wahl ein sogenanntes "hung parliament", ein Parlament in der Schwebe. Das heißt, keine Partei hat eine absolute Mehrheit. In Deutschland ist das normal, im Vereinten Königreich eine Ausnahme. May einigt sich schließlich mit der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP) darauf, ihre Minderheitsregierung zu unterstützen. Die erzkonservative Partei steht in der Kritik, weil sie Vorbehalte etwa gegen die Homo-Ehe und den Klimaschutz hat.
Mit solchen Vorbehalten ist es in Deutschland am 30. Juni offiziell vorbei. Die "Ehe für alle" geht mit 393 Stimmen durch den Bundestag, es gab 226 Gegenstimmen und vier Enthaltungen. Kein Erdrutsch-Sieg also, aber dennoch ein großer Tag für die Gleichstellung. Hier feiert Volker Beck von den Grünen das historische Ergebnis. Bei der Abstimmung gab es keinen Fraktionszwang, alle Abgeordneten sollten gemäß ihrer persönlichen Überzeugung wählen. Im Bürgerlichen Gesetzbuch, heißt es nun in Paragraf 1353: "Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen." Zuvor durften gleichgeschlechtliche Paare zwar eine Lebenspartnerschaft anmelden, doch zahlreiche Unterschiede zur Ehe blieben bestehen, beispielsweise das Recht auf Adoption.
Ein Ereignis, das vor allem wegen seiner Bilder in Erinnerung bleiben wird, sind die Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg am 7. Juli und 8. Juli. Über 20 000 Beamte der Polizei stoßen auf Tausende Demonstranten. Die Worte von Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz bewahrheiten sich nicht. Der hatte vor dem Gipfel noch verkündet: "Es wird Leute geben, die sich am 9. Juli wundern werden, dass der Gipfel schon vorbei ist." Stattdessen kommt es zur Eskalation. Am Ende sind Teile des Schanzenviertels völlig verwüstet, Geschäfte geplündert, zahlreiche Menschen verletzt. Demonstranten und Polizei schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Es beginnt eine Debatte darum, ob linke Gewalt unterschätzt wird. Polizei und Justiz reagieren mit Härte: Ein Flaschenwerfer beispielsweise wird später zu zwei Jahren Haft verurteilt. Kritisiert wird die öffentliche Fahndung nach Randalierern mit Fotos und Videos.
Draußen wird randaliert, drinnen diniert. Die G20-Mitgliedsstaaten einigen sich zum Ende des Gipfels auf eine gemeinsame Erklärung. Sie verpflichten sich zum Kampf gegen Protektionismus und halten an den Zielen des Pariser Klimaabkommens fest. Damit erteilen sie US-Präsident Donald Trump einen Dämpfer, der zuvor aus dem Abkommen ausgestiegen war und Neuverhandlungen gefordert hatte. Auch Trumps Drohung Strafzölle zu erheben, stellten sich die übrigen Mitgliedsstaaten entgegen, mit einem Bekenntnis zum freien Handel. Als Entgegenkommen an den US-Präsidenten gilt dagegen die Formulierung man strebe an, "fossile Brennstoffe sauberer und wirksamer zu nutzen".
Bäckereien ohne Brot, Apotheken ohne Medikamente: Als im Frühjahr Millionen Menschen gegen Präsident Nicolas Maduro protestieren, ist Venezuela ein Staat am Rande des Zusammenbruchs. Obwohl das Land eines der ölreichsten der Welt ist, muss die Regierung Benzin aus den USA importieren. Misswirtschaft und Korruption haben die Menschen verarmen lassen. Während Präsident Maduro die USA als Verursacher der Krise beschuldigt, folgen Millionen Venezulaner dem Aufruf der Opposition gegen die Regierung zu protestieren. Polizei und Militär gehen mit Gewalt gegen die Demonstranten vor. Fast täglich gibt es Tote und Verletzte.
Zum Abschied ein Schokoherz - das war jahrelang das Markenzeichen von Air Berlin. Doch am 27. Oktober ist nach fast 40 Jahren Schluss. Die Fluggesellschaft ist insolvent, der letzte Flieger hebt ab: München-Berlin, 21.35 Uhr. Offiziell hat die Airline keine Abschiedsfeier geplant, "das ist ja auch nicht wirklich ein Grund zum Feiern". Doch der Airbus A320 dreht vor der Landung noch eine Ehrenrunde über der Hauptstadt - natürlich in Herzform.
Am 17. August fährt ein Attentäter mit einem Lieferwagen durch eine Menschenmenge auf dem Boulevard La Rambla im Zentrum von Barcelona. Er tötet 14 Menschen, mindestens 118 werden verletzt. In der darauffolgenden Nacht werden in der Kleinstadt Cambrils, rund 120 Kilometer südlich von Barcelona, fünf Männer in einem Audi von der Polizei gestellt und am Ende einer Verfolgungsjagd erschossen. Die Terrormiliz IS reklamiert die Tat für sich.
Am Wahlabend, 24. September, ist von der anfänglichen Euphorie um den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz nichts mehr zu spüren. 20,8 Prozent holen die Sozialdemokraten, es ist das schlechteste Bundestagswahlergebnis in der Parteigeschichte und Parteichef Schulz zieht Konsequenzen: Die große Koalition sei abgewählt, sagt er, die SPD gehe nun in die Opposition: "In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nie eintreten."
Angela Merkel ist Gewinnerin und Verliererin dieser Wahl. Unter ihrer Führung fällt die Union auf 33 Prozent, das schlechteste Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte. Aber als stärkste Kraft im neuen Bundestag fällt der Union dennoch die Bildung einer neuen Regierung zu. Nach der Absage der SPD an eine Weiterführung der großen Koalition bleibt nur noch eine Möglichkeit: Eine Koalition aus CDU, CSU, FDP und Grünen.
Großer Wahlsieger ist die AfD. Sie zieht mit 12,6 Prozent in den Bundestag ein und verändert damit die politische Landschaft der Bundesrepublik. Während im vorherigen Bundestag nur vier Fraktionen vertreten waren, sitzen mit der AfD und der wiedereingezogenen FDP plötzlich sechs Fraktionen im Parlament.
Einen Tag nach der Bundestagswahl, die Pressekonferenz der AfD-Spitze läuft erst seit sechs Minuten, da lässt Frauke Petry die Bombe platzen. Sie habe lange überlegt, sagt sie, und schließlich entschieden, dass sie der AfD-Fraktion im Bundestag nicht angehören wolle. Den Austritt des Parteimitgründers Bernd Lucke hatte sie vor zwei Jahren noch wie folgt kommentiert: "Behalten Sie bitte in Erinnerung, dass diejenigen Personen, die vorgegeben haben, bürgerlich und moralisch einwandfrei zu handeln, jetzt diejenigen sind, die letztlich die AfD um ihre Mandate betrügen."
Einen Tag nach der Bundestagswahl in Deutschland stimmen die Kurden im Nordirak über die Abspaltung vom Irak ab. Knapp einhundert Jahre kämpfen die Kurden schon für einen eigenen Staat und das Referendum soll der entscheidende Sprung in die Freiheit werden. Stattdessen entwickelt sich die Volksabstimmung zum Desaster: Die Nachbarstaaten lassen Truppen an den kurdischen Grenzen aufmarschieren, die USA versagen den Kurden die Rückendeckung und kaum einen Monat nach dem Referendum fällt die ölreiche Stadt Kirkuk an die irakische Armee. Die Kurden ziehen sich zurück und damit platzt der Traum von einem eigenen Staat. Vorerst zumindest.
Am 1. Oktober lässt Regionalpräsident Carles Puigdemont die Katalanen über eine Abspaltung von Spanien abstimmen. Doch auch hier entwickelt sich das Referendum zum Desaster: Die Zentralregierung in Madrid versucht, die Abstimmung mit allen Mitteln zu verhindern, lässt Wahlurnen und Stimmzettel konfiszieren und geht mit Gewalt gegen Demonstranten und einfache Wähler vor. Kurz darauf flieht Regionalpräsident Puigdemont vor einem drohenden Haftbefehl nach Brüssel.
Dass es nicht schadet, mit ausländerfeindlichen Parolen Wahlkampf zu machen, zeigt der Sieg von Sebastian Kurz und seiner ÖVP-Partei in Österreich. Mit seinem Image des netten Schwiegersohns und seinem Hauptthema, der Flüchtlingskrise, wird der 31-Jährige zum jüngsten Regierungschef. Die rechtspopulistische FPÖ fährt mit fast 27 Prozent der Stimmen das zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Beide Parteien einigen sich nach der Wahl auf eine Koalition. Und die Welt spricht vom Rechtsruck in Österreich. Der von den Grünen stammende Bundespräsident Alexander Van der Bellen (links) soll kein Freund der Koalition sein.
Kein guter Tag für den katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont: Erst erklärt die spanische Generalstaatsanwaltschaft am 21. Oktober, dass sie ein Verfahren gegen ihn wegen "Rebellion" einleiten werde, darauf steht in Spanien eine Haftstrafe von bis zu 30 Jahren. Und dann erklärt Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy die gesamte katalanische Regierung offiziell für abgesetzt und kündigt Neuwahlen in Katalonien an.
"Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren." Mit diesem Satz erklärt FDP-Chef Christian Lindner nach wochenlangen Jamaika-Sondierungen am 19. November seinen Austritt aus den Gesprächen über eine mögliche Regierungsbildung mit der Union und den Grünen. Mit diesem Schritt zwingt Lindner die SPD zurück an den Verhandlungstisch - dabei hatten sich die Genossen schon auf eine Reha-Kur in der Opposition gefreut.
Trotz des Scheiterns der Jamaika-Sondierungen beharrt SPD-Chef Martin Schulz weiter auf der Oppositionsrolle der Sozialdemokraten und fordert Neuwahlen. Dabei liegt die Entscheidung nicht bei ihm, sondern beim Bundespräsidenten und der will Neuwahlen nach Möglichkeit verhindern. Frank-Walter Steinmeier bittet die Parteichefs zu sich ins Schloss Bellevue und erinnert die Politiker an ihre Pflichten: "Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält."
Es ist eines der traurigen Dauerthemen des vergangenen Jahres: Das Elend der Rohingya. Die muslimische Minderheit wird in Myanmar brutal verfolgt. Mehr als 600 000 von ihnen sollen mittlerweile aus dem überwiegend buddhistischen Myanmar ins angrenzende Bangladesch geflohen sein.
Anfang Dezember beschließt US-Präsident Donald Trump die amerikanische Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Damit bricht Trump mit einer Grundlinie der US-Außenpolitik: Er erkennt Jerusalem als Hauptstadt Israels an. Als Reaktion kommt es in vielen mehrheitlich muslimischen Ländern zu heftigen Protesten. Im Gaza-Streifen und im Westjordanland erschießt die israelische Armee bei gewaltsamen Auseinandersetzungen acht Palästinenser. Unter anderem den 29-jährigen Aktivisten Ibraheem Abu Thuraya, dem nach einem israelischen Luftangriff 2008 beide Beine amputiert werden mussten.
Durch das Jahr steigert sich der alte Konflikt zwischen Horst Seehofer und Markus Söder immer weiter und findet schließlich auf dem Parteitag Mitte Dezember seinen vorläufigen Höhepunkt. Söder ringt Seehofer den Posten als bayerischer Ministerpräsident ab. Und obwohl Seehofer jahrelang versucht hat, Söder als Nachfolger zu verhindern, tun plötzlich beide so, als sei diese geteilte Doppelspitze die beste Lösung für die Christsozialen.
Katalonien: Ein Dauerthema 2017. Außer dem US-Präsidenten Donald Trump hat wohl kaum etwas die Europäer in dem vergangenen Jahr so sehr in Atem gehalten wie der Streit zwischen Madrid und Barcelona. Kurz vor Weihnachten findet die Neuwahl des katalanischen Regionalparlaments statt. Die Separatisten gewinnen die Wahl. Zu Unrecht, wie nun einige Anhänger einer Einheit mit Spanien sagen. Das Wahlsystem sei ungerecht und habe den Separatisten die Mehrheit der Parlamentssitze verschafft, obwohl sie nicht die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten haben.