25 Jahre nach der Wiedervereinigung fürchtet die Bundesregierung, dass der wachsende Fremdenhass den gesellschaftlichen Frieden in Ostdeutschland gefährde. "Der Rechtsextremismus in all seinen Spielarten stellt eine sehr ernste Bedrohung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der neuen Länder dar", sagte die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke, bei der Vorstellung des Jahresberichts zum Stand der deutschen Einheit in Berlin.
Im Ausland, sagte Gleicke, werde sie überall auf diese Entwicklung angesprochen. Im Tourismus - etwa in Sachsen - gebe es teils deutliche Rückgänge.
Die große Mehrheit der Ostdeutschen sei zwar nicht fremdenfeindlich oder rechtsextrem, sagte Gleicke. Sie würde sich aber wünschen, "dass diese Mehrheit noch lauter und deutlicher Stellung bezieht". Auch Unternehmen und Gastwirte müssten deutlich Flagge zeigen. Für Ostdeutschland stehe viel auf dem Spiel, der wirtschaftliche Aufholprozess verlaufe seit einigen Jahren nur äußerst verhalten. Dies sei noch "eher freundlich" formuliert.
Nichts deute darauf hin, dass sich die Lücke zwischen West und Ost schließen wird
Die Wirtschaftskraft je Einwohner habe im jahr 2015 um 27,5 Prozent unter dem Niveau der alten Länder gelegen. Nichts deute darauf hin, so Gleicke, dass sich diese Lücke mittel- oder auch nur langfristig schließen könnte. Der Bevölkerungsrückgang führe dazu, dass Ostdeutschland bei der realen Wirtschaftskraft weiter an Boden verliere. Die Integration von Flüchtlingen mit Bleiberecht sei eine Chance für den Osten.
Im aktuellen Jahresbericht zur deutschen Einheit heißt es nach einem Bericht des Handelsblatts, dass die Zahl der rechtsextremen und fremdenfeindlichen Übergriffe im vergangenen Jahr stark zugenommen habe. "Neben unzähligen Angriffen auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte sind gewalttätige Ausschreitungen wie in Heidenau und Freital zu Symbolen eines sich verfestigenden Fremdenhasses geworden", zitiert die Zeitung aus dem Bericht. Bei den Protesten gegen die Aufnahme von Flüchtlingen sei deutlich geworden, dass die Grenzen zwischen bürgerlichen Protesten und rechtsextremistischen Agitationsformen zunehmend verschwömmen.
Ostdeutschland, heißt es dem Handelsblatt zufolge weiter, werde "nur als weltoffene Region, in der sich alle dort lebenden Menschen zu Hause fühlen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben, gute Entwicklungsperspektiven haben."
BKA fürchtet Gewaltwelle 2017
Der Lagebericht des Bundeskriminalamts hat bereits für 2015 eine wachsende Fremdenfeindlichkeit für ganz Deutschland festgestellt. Vergangenes Jahr gab es 1031 Übergriffe auf Flüchtlinge. Das BKA sprach von einem "Klima der Angst".
BKA-Chef Holger Münch warnte nun in der Rheinischen Post vor Gewalt in Deutschland im Wahljahr 2017. "Schon 2015 hatten wir einen starken Anstieg der Straftaten im Bereich der politisch-motivierten Kriminalität rechts und links. Das schaukelt sich gegenseitig hoch. Gerade was Hasspostings angeht, setzen wir einen besonderen Bekämpfungsschwerpunkt, weil die Verrohung der Sprache vor der Tat erfolgt", sagte Münch. "Gerade mit Blick auf das Wahljahr beobachten wir den Aufschaukelungsprozess zwischen rechtem und linkem Spektrum mit Sorge."