Jahresbericht des Wehrbeauftragten:"Bundeswehr ist keine marode Truppe"

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Noch nie haben sich so viele Soldaten über die Armee beschwert. Trotzdem lobt Wehrbeauftragter Penner die Bundeswehr.

Von Thomas Hummel

Berlin - Gemessen an der Truppenstärke haben sich im vergangenen Jahr so viele Soldaten wie noch nie über Mängel innerhalb der Armee beschwert. 6154 Eingaben zählte der Wehrbeauftragte des Bundestags, Willfried Penner, bei 264000 Soldaten. Darunter waren 94 Fälle von Misshandlungen, fast doppelt so viele wie im Vorjahr.

Die Zahl der rechtsextremen Fälle in der Bundeswehr ist nahezu unverändert. (Foto: Foto: dpa)

Aus den Zahlen lasse sich jedoch nicht schließen, "dass wir eine marode Truppe haben", sagte Penner. Zum einen sei die Gesamtzahl der Eingaben hoch, weil seine Behörde gerade bei Vorfällen unter Alkoholeinfluss "genauer hingeguckt" habe.

Außerdem folgten viele der gemeldeten Misshandlungen den bekannt gewordenen Fällen in der Kaserne in Coesfeld und lägen teilweise mehrere Jahre zurück.

Kritik an Auslandseinsätzen

Von den betroffenen Soldaten in Coesfeld habe sich keiner an den Wehrbeauftragten gewandt, so Penner. Ausbilder sollen dort ihre Rekruten in einer inszenierten Geiselhaft gequält haben, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 38 Soldaten.

Doch selbst Vertrauenspersonen hielten die Ausbildung für rechtmäßig, auch weil der Kompaniechef teilweise anwesend war, berichtete Penner. Vier der angeklagten Soldaten seien zu ihm gekommen, um angesichts der öffentlichen Empörung das Recht auf ein faires Verfahren zu fordern.

Nahezu unverändert ist die Zahl rechtsextremer Fälle. 134 Vorgänge wurden 2004 gemeldet, im Vorjahr waren es 139 gewesen. Dazu gehörten das Grölen von Nazi-Parolen und der "Hitler-Gruß" - zumeist ausgeführt von betrunkenen Soldaten. Kritik gab es an Auslandseinsätzen.

"Anpassungsprozess pur"

"Der Sinn muss aus Sicht der Soldaten erkennbar sein", forderte Penner. Ein Drittel aller Eingaben drehte sich um Personalfragen.

"Was auf den Schulterklappen zu sehen ist oder vermisst wird, wirkt schwer", sagte Penner. So klagten ältere Feldwebel über ein Programm für junge Soldaten, das diesen den schnellen Aufstieg ermöglicht. Penner warnte vor weiteren Umstrukturierungen der Bundeswehr. Seit der Wiedervereinigung herrsche innerhalb der Armee ein "Anpassungsprozess pur".

Die Truppenstärke werde stetig reduziert, das Geld werde weniger, die Aufgaben werden jedoch mehr. "Bisher haben die Streitkräfte alles mitgemacht, doch bei weiteren Belastungen ist die Grenze erreicht."

Rohre marode, Matratzen verschlissen

Auch für den Erhalt der Infrastruktur ist offenbar nicht genügend Geld da. Während die Kasernen in Ostdeutschland saniert sind, hänge im Westen Schimmel an den Wänden, Rohre seien marode, Matratzen verschlissen.

Dennoch lobte der scheidende Wehrbeauftragte Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD). Dieser lasse sich nicht auf die "Dauerrangelei" mit dem Finanzministerium ein, sondern arbeite mit dem vorhandenen Geld, auch wenn Struck dadurch die Bundeswehr verkleinere und Standorte schließe.

Nach fünf Jahren Tätigkeit legte der 68-Jährige den Bericht zum letzten Mal vor. Eigentlich sollte der Bundestag diese Woche einen neuen Wehrbeauftragten wählen, doch die SPD verschob den Termin bis nach Ostern. Ihr Kandidat Reinhold Robbe ist in der eigenen Partei umstritten.

© SZ vom 16.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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